Jürgen Hubbert/Stefan Loew:

Die beiden endpaläolitischen Lagerplätze "Rüsselsheim 122A und 122B"

Bei den Bauarbeiten zur Autobahnauffahrt Königstädten entdeckten Jürgen Hubbert und Stefan Flettner 1989 einen eiszeitlichen Siedlungsplatz der "Federmesserkuktur" aus der Zeit von ca. 11.000 v.Chr.
Unter der Leitung von Prof. Dr. Fiedler wurden Tausende von verschiedenen Steinartefakten und Reste eine Feuerstelle ausgegraben.

Die Lage der Ausgrabungsstätte an der heutigen Autobahnauffahrt Königstädten im nord-westlichen Abbieger aus Richtung Frankfurt
Dieser Platz mit großen Sanddünen und Robinienbewuchs war den alten Königstädtern unter der Bezeichnung "Müllböhl" bekannt. Durch die Häuserbauten im Dicken Busch (östlich der L 3040) und den Bau der Autbahnauffahrt ist von dem ehemals fußballplatzgroßen Arreal fast nichts mehr übrig geblieben. Es verschwindet auch optisch fast ganz in der nördlichen Auffahrt zur Autobahnbrücke.

J. Hubbert
1. Entdeckung und Grabung
    

Im November 1989 sollten die Erdarbeiten für die neue Autobahnausfahrt Rüsselsheim Süd beginnen. Die geplante Ausfahrt würde direkt durch eine Dünenkette geführt werden, die bereits in den Karten des 18. und 19. Jahrhunderts verzeichnet ist. Die ehemalige Abmessung dieser Dünenbildung dürfte etwa die Größe eines Fußballplatzes eingenommen haben. In der östlich angrenzenden Fläche waren bereits beim Bau der Häuser in der Robert Bunsenstrasse zahlreiche, jedoch zeitlich unterschiedliche, vorgeschichtliche Gruben beobachtet und Belegscherben geborgen worden.

Bild 1. Der angebaggerte Fundplatz Rüsselsheim 122A (Deutlich, als dunkle, muldenförmige Schicht zu erkennen, zeichnet sich der eigentliche Fundhorizont ab)

Dieser Platz war also- nicht zuletzt wegen seiner hochwassersicheren Lage - schon immer interessant für Siedler gewesen. Waren die zu den Siedlungen gehörenden Gräber in der Dünenkette zu suchen oder waren die Hügel teilweise künstlich angelegt worden und waren gar  Hügelgräber? Würden durch die geplante Baustelle erneut Siedlungsplätze der Vorzeit angeschnitten? Diese Fragen stellten sich natürlich und damit war auch klar, dass diese Baustelle aus archäologischer Sicht, bei den anstehenden Baggerarbeiten, besonders sorgfältig beobachtet werden musste.

Gemeinsam mit Herrn Flettner  aus Raunheim fand der Schreiber dieses Berichtes in der Baustelle einen tiefen, frisch ausgebaggerten Graben vor. Sofort fiel uns eine dunkle Bodenverfärbung auf, die sich unter einer hellen Sanddecke abzeichnete. Mit der Spachtel versuchten wir das Profil klarer herauszuarbeiten. Dabei fanden sich bereits eine Handvoll kleiner, scharfkantiger Steinchen, die nicht durch die Natur geformt waren: Es waren Artefakte, also Überbleibsel, die von Menschenhand geformt waren. Es handelte sich größtenteils um Abschläge, Klingen, Schaber, Stichel – steinzeitliche Werkzeuge -einige kaum größer als ein Fingernagel. Auffallend waren auch die Unterschiede der Steinmaterialien: Quarzide, roter Sandstein, Horn- und Feuersteine – eine bunte Mischung, sicherlich am Flusslauf aufgesammelt oder von weiter entfernt hergebracht.

Bild 2. Gesamtansicht und Lage (in der heutigen Nordausfahrt der BAB 60)

Es war schnell klar, dass es sich hier um einen sehr alten Fundplatz handeln musste, wie er im geologisch jungen Ried kaum oder nur seltenen, zu erwarten sein dürfte. Denn das Gebiet der Mainmündung wurde bis zum Ende der letzten Eiszeit ständig durch die Hochwässer vom Main und natürlich auch vom Rhein immer wieder neu geformt. Bei diesen Erdverschiebungen sind sicher auch vorhandene Siedlungshinterlassenschaften verlagert und fortgespült worden.

Das Landesamt für Denkmalpflege und Bürgermeister Löffert, dem auch die Untere Denkmalpflege unterstand, wurden umgehend informiert. Nach einer Ortsbesichtigung durch Herrn Professor Doktor Lutz Fiedler vom Landesamt für Denkmalpflege aus Marburg standen zwei Dinge fest: Es handelte sich erstens um eine endpaläolithische, also rund 13 000 Jahre alte Fundstelle und zweitens diese Fundstelle musste wegen ihrer archäologischen Wichtigkeit für den gesamten südhessischen Raum, unbedingt wissenschaftlich ausgegraben werden. Der Fundplatz bekam vom Landesamt die Fundplatznummer „Rüsselsheim 122A“.

Bild 3. Grabung (Städtische Mitarbeiter und Freiwillige beim Einsatz)

In den nächsten Tagen wurden eilig alle notwendigen Vorbereitungen für eine planmäßige Grabung getroffen. Zum Schutz wurde ein großes Zelt über dem Grabungsplatz errichtet. Die Vertreter des Landesamtes für Denkmalpflege wurden von der Stadt Rüsselsheim mit drei Mitarbeitern unterstützt.

Nun konnten die eigentlichen Ausgrabungen beginnen. Die Fundschicht war im Laufe der Jahrtausende durch Vegetation oder Tiergänge zu einer 50 cm mächtigen Schicht umgekrempelt worden, die wiederum von einer dicken Flugsandschicht überlagert wurde. Da die obere, jüngere Schicht keinerlei Funde enthielt, konnte sie mit einem Bagger entfernt werden. Die verbleibende Schicht wurde in Koordinaten eingeteilt, so dass sich Würfel mit einer Kantenlänge von 25 cm ergaben. Jeder Würfel wurde kartiert und unter fließendem Wasser in einer eigens eingerichteten Waschanlage, durch ein Sieb mit 0,5 cm Maschenweite, ausgewaschen. Die Fundstücke, oft nur kleinste Steinsplitter, wurden vorsichtig geborgen. Durch die Kartierung würde eine spätere Rekonstruktion der jeweiligen Lage der Fundstücke wieder möglich sein.

Bild 4. Die Waschanlage in Betrieb

Schon nach wenigen Grabungstagen zeichnete sich eine deutliche Linie zwischen einer fundreichen und fundarmen Schicht ab. Die Artefakte lagen in einem eng konzentrierten Bereich, was nur bedeuten konnte, dass die Steinabschläge bei der Herstellung an einem Hindernis abgeprallt waren. War der Lagerplatz von einer Schutzwand aus Zweigen und Blättern oder gar von Tierhäuten eingefasst gewesen? Es muss sich wohl um eine zeltartige Behausung oder zumindest um einen Windschutz gehandelt haben.

In der Nordwestecke des fundreichen Horizontes wurde schließlich in einer kleinen Vertiefung noch eine Feuerstelle festgestellt. Ein verkohlter armdicker Holzstamm konnte geborgen werden.

Nach knapp vier Wochen waren die Grabungsarbeiten abgeschlossen. Einige Tausend Artefakte waren kartiert und gesichert worden. Die einzelnen Grabungsabschnitte waren im Profil zeichnerisch und fotographisch dokumentiert worden.

Nun konnten die Bauarbeiten weitergeführt werden, die nun natürlich noch sorgfältiger beobachtet werden mussten.

Bei der Verlegung einer Gasleitung ein paar Wochen später, wurde in knapp 25 m Entfernung des ersten Fundplatzes, der zweite Fundplatz angeschnitten und „Rüsselsheim 122B“ benannt. Sein Inventar setzte sich offensichtlich ähnlich zusammen wie der bereits gegrabene erste Fundplatz. So war dann auch die Ausgrabung des zweiten Platzes eine selbstverständliche Verpflichtung für die Verantwortlichen. Die Ausgräber waren die der ersten Kampagne und so konnten ihre Erfahrungen genutzt werden.

Bild 5. Der zweite Fundplatz Rüsselsheim 122B

Herr Professor Doktor Fiedler übernahm wieder die Grabungsleitung. Es zeigte sich jedoch bald, dass beim Waschen und Sieben der Fundschicht Schwierigkeiten auftraten: Der sandige Boden war stark mit einem  Hochflutlehm versetzt, der sich eigentlich in dieser Höhe nicht natürlich abgelagert haben konnte. Eine Hochflut von diesen Ausmaßen hätte keinen Lehm abgelagert, sondern eher die gesamte Düne abgetragen. Hatten sich die Bewohner aus dem Lehm eine Schutzwand gebaut?

Viele Fragen müssen offen bleiben – manches hat sich zwischenzeitlich durch die weitere Bearbeitung der Fundplätze geklärt.

 

Bild 6. Prof. Doktor Fiedler hält einen Vortrag vor Königstädter Schulkindern

 

Stefan Loew

2. Die weitere Auswertung

Bisher können wir feststellen, dass die beiden Fundplätze aus der Zeit um 11 000 v. Chr. stammen, worüber uns eine vulkanische Tuffschicht Aufschluss gibt, die im Befund des zweiten Platzes eingelagert war: Die mineralogische Zusammensetzung des Tuffs erlaubt seine Zuordnung zum Ausbruch des Laacher-See-Vulkans in der Osteifel, der um diese Zeit eruptierte. Die Auswirkungen dieses Ausbruchs waren katastrophal für Menschen und Tiere im Osteifelgebiet, deren Überreste in den letzten Jahrzehnten unter meterhohen Tuff- und Lavaschichten ausgegraben wurden. Asche und Tuffbrocken wurden in die Atmosphäre geschleudert und in einem nach Norden streuenden Fächer durch den Wind bis nach Mittelschweden transportiert. Einem zweiten, nach Süden streuenden Fallout- Fächer, der bis Norditalien reichte, ist es zu verdanken, dass auch die Gegend von Rüsselsheim von einer dünnen Tuffschicht bedeckt wurde.

Dieses Datum stellt die beiden Siedlungsplätze in den Zeithorizont einer der letzten Jäger- und Sammler- Kulturen Europas, die in Deutschland – nach ihren charakteristischen Pfeilspitzen – „Ferdermesserkultur“ genannt wird.


Bild 7. Klingen (Eine Auswahl der Werkzeugskizzen des LA Marburg) (Maßstab 1:2)

Jägerische Kulturen- die Lebensform, in der sich der Mensch zwischen ca. 2 Millionen   bis 5500 Jahren vor Christus bewegte – waren mit steigendem Bevölkerungswachstum zunehmend abhängig vom Wildbestand ihrer Umgebung, der eine Haupternährungsquelle des Menschen darstellte. Lohnendes Jagdwild, das sich in Herden organisiert, entwickelte sich in offenen Landschaften wie der Steppe oder der Savanne, die genügend Biomasse boten. Das trockene Eiszeitklima eignete sich in hohem Maß für die Bildung solcher Biotope, so dass das Eiszeitalter in gewisser Weise ein ideales Klima für jägerisch organisierte Kulturen darstellte. Zur Zeit der Besiedlung der beiden Fundplätze erfuhren jedoch das globale Klima und in der Folge auch Fauna und Flora einen tiefgreifenden Wandel, indem sich die Atmosphäre innerhalb weniger Jahrhunderte rapide um 11° C Durchschnittstemperatur erwärmte und den Übergang in unser heutiges, holozänes Klima einleitete. Die zunehmende Bewaldung stellte eine Herausforderung für den Jäger dar, da die vergleichsweise geringe Biomasse des Waldbodens nur noch Einzelwild Nahrung bot und die Jagd schwieriger machte. Nach heutigem Erkenntnisstand kann dies die Ursache für die Erfindung einer präziseren Jagdwaffe gewesen sein: Die Jagd mit Pfeil und Bogen wird in dieser Zeit zum beherrschenden Kulturmerkmal, das sich auf den Fundplätzen in charakteristischen Pfeilspitzen, den „Federmessern“, ausgedrückt.

Die zunehmende Klimaerwärmung- und festigung trug jedoch wesentlich dazu bei, dass der Mensch innerhalb der folgenden fünftausend Jahre eine produzierende Wirtschaftsweise entwickelte (den Ackerbau), welche das Überleben einer weiterhin wachsenden Bevölkerung unter warmzeitlichen Ernährungsbedingungen garantieren konnte.

Der Fundplatz liegt in einem jagdstrategisch ehemals sehr günstigen Gebiet der Rhein-Main-Region. Das Mainmündungsgebiet bestand vor der Flussregulierung aus einer Vielzahl mäandrischer Seitenarme des Mains, die sich an der Stufe zum Oberrheinischen Tiefland – ungefähr bei Raunheim- ausbildeten und eine bis zu 5 km breite Flussterasse schufen. Die Verteilung des Flusswassers auf eine derart vergrößerte Fläche bewirkte, dass die Wassertiefe in diesem Gebiet allgemein sehr gering gewesen sein muss und für die Tierherden hier eine der wenigen Gelegenheiten bestand, den Main zu überqueren.

Bisher konnten nur die Hinterlassenschaften der Siedler des ersten in Rüsselsheim entdeckten Wohnplatzes (Rüsselsheim 122 A) näher untersucht werden. Sie bestehen ausschließlich aus Steinartefakten, da sich die meisten anderen Materialien nicht über einen so langen Zeitraum erhalten.

Bestimmte Steine haben Eigenschaften und eine innere Struktur, die uns erlaubt, sie zielgerichtet zu bearbeiten und aus ihnen Waffen und Werkzeuge für bestimmte Arbeiten anzufertigen. Die Entscheidungen, die der Mensch bei der Herstellung seines Werkzeugs treffen musste – angefangen bei der Zielsetzung seines Vorhabens und der Wahl des Gesteins, über die von ihm gewählte Bearbeitungstechnik und Aufteilung der Arbeitsschritte bis hin zur Verwertung der bei der Steingeräteherstellung angefallenen Abfälle – und der individuelle handwerkliche Stil, in dem das Werkzeug schließlich erscheint, ergeben ein Gesamtbild der Arbeitsorganisation einer Menschengruppe. Es macht uns möglich, räumliche und zeitliche Grenzen steinzeitlicher Kulturen zu erkennen und auf ihre Lebensbedingungen zu schließen.

Das Inventar an Werkzeugen und Waffen setzt sich aus Kratzern (Kratzwerkzeuge, evtl. zum Bearbeiten von Tierhäuten), Sticheln (Ritzwerkzeuge, u. a. zur Bearbeitung von Knochen, Herstellung von Knochennadeln), Bohrern (zum Durchbohren von z.B. Muscheln, bei der Schmuckherstellung), einfachen Steinklingen (als Schneidwerkzeuge) und den charakteristischen Pfeilspitzen („Federmessern“) zusammen, wobei Klingen, Kratzer und Federmesser bei weitem das Inventar dominieren.

Bild 8: Stichel (Maßstab 1:1)

Ein hervorstechendes Merkmal der Befunde ist ihre enorme Vielfalt von Rohmaterialien für die Steinverarbeitung. Allein in der Konzentration Rüsselsheim 122 A ließen sich 14 verschiedene Rohmaterialien unterscheiden. Es stellte sich heraus, dass dem Rohmaterial eine herausragende Rolle in der Arbeitsorganisation zukam: Die Bearbeitungsmerkmale des

Materials und seine Gewinnung im Gesamtvolumen ließen unterschiedliche Aufgabenbereiche erkennen, die dem jeweiligen Material bei der Steingerätherstellung zugedacht wurden. So zeigte sich, dass bestimmte Rohstoffe für Routinearbeiten des Siedlungsalltags reserviert waren. Sie heben sich von den anderen durch Merkmale ab, die eine gewisse Planungstiefe bei der Steingeräteherstellung erkennen lassen: Eine systematische Nutzung der Materialeigenschaften des Gesteins und eine strukturierte Verwertung der hergestellte Grundformen (d.h. der beabsichtigten Rohformen – Klingen, Abschläge- und der Abfälle) zeigte, dass Werkzeuge dieser Materialien für Arbeiten produziert wurden, die offensichtlich regelmäßig anfielen, und einen durchorganisierten Herstellungsprozess lohnten.

Bild 9: Kerne
(Maßstab 1:2)

Werkzeuge aus diesem Material bilden die große Mehrzahl der Funde. Sie unterscheiden sich von Geräten aus anderem Material, die wenigerstrukturiert wurden und offensichtlich in Sondersituationen spontan angefertigt wurden. Letztere zeigen stets eine einseitige,  zielgerechte Werkzeugherstellung, die jeweils speziellen Zwecken im Siedlungsalltag diente.

Gründe für diese zweckorientierte Materialauswahl kann man einerseits in den unterschiedlichen Materialeigenschaften erkennen. Jedes der Gesteine lässt sich zu einem bestimmten Steingerätetyp zuordnen, dessen Herstellung durch die Eigenschaften des ihm zugeordneten Rohstoffs unterstützt wird. Andererseits spielte die Zugänglichkeit der Rohstoffe für die Siedler eine große Rolle, so dass die Kombination dieser beiden Kriterien schließlich entscheidend war für die Funktion eines bestimmten Rohmaterials im Siedlungsgeschehen: So wurde die Mehrzahl der Steingeräte aus Kieselschiefer hergestellt, da er als Maingeröll unmittelbar am Fundplatz zur Verfügung stand. Seine jedoch ungünstigen Materialeigenschaften ( ein stark zerklüftetes Gestein, das sich bei der Bearbeitung leicht in Einzelteile auflöst) wurden jedoch dadurch ausgeglichen und sogar genutzt, indem es fast ausschließlich für kleine , massive Werkzeuge benutzt wurde (wie z.B. Kratzer).

Bild 10: Kombiniertes Werkzeug Kratzer (A) mit Stichel (B) - vielleicht so etwas wie das Schweizer Messer der Steinzeit
(Maßstab 1:1).

Chalcedon ist ein Material, dass auch die Herstellung von länglich- grazileren Geräten erlaubt, jedoch- nach bisherigem Forschungsstand – nur in der Gegend des 30 km entfernten Lämmerspiel (Mühlheim –Main) vorkommt. Dementsprechend wurde es ökonomischer gehandhabt und auf dem Fundplatz vorwiegend zur Herstellung von Klingen und Pfeilspitzen benutzt. Eine dem Chalcedon vergleichbare Funktion hatte der Tertiärquarzit, der die dritte große Rohmaterialgruppe auf dem Fundplatz darstellt.

Die Herkunft der Gesteine gibt außerdem Auskunft über die Herkunft der Siedler von Rüsselsheim 122 A und über die Größe des Territoriums, dass sie im Umkreis des Fundplatzes zur Nahrungsbeschaffung nutzten.

So ist es wahrscheinlich, dass diese Menschengruppe aus einer Gegend nördlich der ungefähren geographischen Breite von Düsseldorf kam: Die Geräte aus einem bestimmten Feuerstein-Typ weisen alle Merkmale eines „Werkzeug-Sets“ auf, dass die Jäger-Sammelgruppe während ihrer Wanderbewegung mit sich nahm. Sie sind aus dem sog. „Baltischen Feuerstein“ gefertigt. Dieses Gestein stammt aus den Gebieten der südlichen Gletscherausläufer des Eiszeitalters, die um ca. 20 000 v. Chr. von Skandinavien aus bis auf diesen Breitengrad vorgedrungen waren.

Es wird angenommen, dass der Mensch auf seinen Jagdausflügen den täglichen Rohmaterialbedarf deckte, so dass die Gesteine auf dem Fundplatz Zeugnis ablegen über die Jagdgebiete der Siedler. Die in Rüsselsheim 122 A aufgetretenen Gesteine stammen – nach heutigem Wissen – aus einem Umkreis von 30 km (Mülheim- Lämmerspiel), zwei größere Rohmaterialgruppen sogar mind. 60 km Entfernung (Vogelsberg oder Eifel). Vorausgesetzt, dass sämtliche Gesteine des Fundplatzes von derselben Menschengruppe stammen, nutzten die Siedler von Rüsselsheim 122 A einen Umkreis von 60 km für ihre Subsistenz.

Als Fundplatz der Federmesser- Kultur steht Rüsselsheim nicht allein in Deutschland: In unmittelbarer Nähe (Mülheim- Steinheim) wurden in den siebziger und achtziger Jahren die Fundplätze Hausen I und II, Reuterrain, Waldabteilung 92 und Mühlheim-Dietesheim entdeckt, von denen jedoch nur letztere ähnlich ausgedehnte Befunde aufweist. Die bekanntesten Federmesser-Fundorte Deutschlands befinden sich im Neuwieder Becken, die wegen ihrer guten Erhaltung zur Berühmtheit gelangt und in vielerlei Hinsicht den Befunden von Rüsselsheim 122 entsprechen. 

3. Zukünftiges

Weitere Untersuchungen zur Siedlungsstruktur Rüsselsheim 122 A sind im Gang, ebenso die Analyse des Fundplatzes Rüsselsheim 122 B.

Ob der gesamte Fundkomplex einmal im Museum repräsentativ und didaktisch ausgestellt sein wird liegt in der Hand unserer Stadtväter. Vorstellbar ist ein Rekonstruktionsversuch mit lebensgroßen Figuren, einschließlich der gefundenen Werkzeuge und Waffen. Alternativ besteht die Möglichkeit die Funde im Darmstädter Museum auszustellen.

8. Aug. 2002

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Hier erfahren Sie mehr aus der Königstädter Geschichte.

Felix Weilbächer: Kurze Einblicke in die Geschichte des Dorfes Königstädten

E. E. Metzner: Das alemannische Königstädten

Einsiedel, Walter, Weilbächer: Die Bombennacht 1944

E. E. Metzner: Gerichtsstätte Haselberg

Weilbächer: Wie in Königstädten Kerb gefeiert wurde ... und wird.

J. Hubbert und Stefan Loew: Die beiden endpaläolitischen Lagerplätze 122A und 122B

Walter, Weilbächer: Fachwerkhäuser

Neuerscheinung: Weilbächer, Walther, Einsiedel: Von der Eiszeit bis zur Neuzeit

Der Text des Eingemeindungsvertrages

4 Bücher zur Königstädter Geschichte von
Weilbächer - Walter - Einsiedel
 
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