J. Hubbert
1. Entdeckung und Grabung
Im November 1989 sollten die
Erdarbeiten für die neue Autobahnausfahrt Rüsselsheim Süd beginnen. Die
geplante Ausfahrt würde direkt durch eine Dünenkette geführt werden,
die bereits in den Karten des 18. und 19. Jahrhunderts verzeichnet ist.
Die ehemalige Abmessung dieser Dünenbildung dürfte etwa die Größe
eines Fußballplatzes eingenommen haben. In der östlich angrenzenden
Fläche waren bereits beim Bau der Häuser in der Robert Bunsenstrasse
zahlreiche, jedoch zeitlich unterschiedliche, vorgeschichtliche Gruben beobachtet
und Belegscherben geborgen worden.
Bild 1. Der angebaggerte Fundplatz
Rüsselsheim 122A (Deutlich, als dunkle, muldenförmige Schicht zu
erkennen, zeichnet sich der eigentliche Fundhorizont ab)
Dieser Platz war also- nicht zuletzt
wegen seiner hochwassersicheren Lage - schon immer interessant für
Siedler gewesen. Waren die zu den Siedlungen gehörenden Gräber in der
Dünenkette zu suchen oder waren die Hügel teilweise künstlich angelegt
worden und waren gar Hügelgräber?
Würden durch die geplante Baustelle erneut Siedlungsplätze der Vorzeit
angeschnitten? Diese Fragen stellten sich natürlich und damit war auch
klar, dass diese Baustelle aus archäologischer Sicht, bei den anstehenden
Baggerarbeiten, besonders sorgfältig beobachtet werden musste.
Gemeinsam
mit Herrn Flettner aus Raunheim fand der Schreiber dieses Berichtes in der
Baustelle einen tiefen, frisch ausgebaggerten Graben vor. Sofort fiel uns
eine dunkle Bodenverfärbung auf, die sich unter einer hellen Sanddecke
abzeichnete. Mit der Spachtel versuchten wir das Profil klarer
herauszuarbeiten. Dabei fanden sich bereits eine Handvoll kleiner,
scharfkantiger Steinchen, die nicht durch die Natur geformt waren: Es
waren Artefakte, also Überbleibsel, die von Menschenhand geformt waren.
Es handelte sich größtenteils um Abschläge, Klingen, Schaber, Stichel
– steinzeitliche Werkzeuge -einige kaum größer als ein Fingernagel.
Auffallend waren auch die Unterschiede der Steinmaterialien: Quarzide,
roter Sandstein, Horn- und Feuersteine – eine bunte Mischung, sicherlich
am Flusslauf aufgesammelt oder von weiter entfernt hergebracht.
Bild 2. Gesamtansicht und Lage (in
der heutigen Nordausfahrt der BAB 60)
Es war schnell klar, dass es sich hier
um einen sehr alten Fundplatz handeln musste, wie er im geologisch jungen
Ried kaum oder nur seltenen, zu erwarten sein dürfte. Denn das Gebiet der
Mainmündung wurde bis zum Ende der letzten Eiszeit ständig durch die
Hochwässer vom Main und natürlich auch vom Rhein immer wieder neu
geformt. Bei diesen Erdverschiebungen sind sicher auch vorhandene
Siedlungshinterlassenschaften verlagert und fortgespült worden.
Das Landesamt für Denkmalpflege und Bürgermeister Löffert, dem auch die
Untere Denkmalpflege unterstand, wurden umgehend informiert. Nach einer
Ortsbesichtigung durch Herrn Professor Doktor Lutz Fiedler vom Landesamt
für Denkmalpflege aus
Marburg standen zwei Dinge fest: Es handelte sich erstens um eine
endpaläolithische, also rund 13 000 Jahre alte Fundstelle und zweitens
diese Fundstelle musste wegen ihrer archäologischen Wichtigkeit für den
gesamten südhessischen Raum, unbedingt wissenschaftlich ausgegraben
werden. Der Fundplatz bekam vom Landesamt die Fundplatznummer „Rüsselsheim
122A“.
Bild 3. Grabung
(Städtische Mitarbeiter und Freiwillige beim Einsatz)
In den nächsten Tagen wurden eilig
alle notwendigen Vorbereitungen für eine planmäßige Grabung getroffen.
Zum Schutz wurde ein großes Zelt über dem Grabungsplatz errichtet. Die
Vertreter des Landesamtes für Denkmalpflege wurden von der Stadt
Rüsselsheim mit drei Mitarbeitern unterstützt.
Nun konnten die eigentlichen
Ausgrabungen beginnen. Die Fundschicht war im Laufe der Jahrtausende durch
Vegetation oder Tiergänge zu einer 50 cm mächtigen Schicht umgekrempelt
worden, die wiederum von einer dicken Flugsandschicht überlagert wurde.
Da die obere, jüngere Schicht keinerlei Funde enthielt, konnte sie mit
einem Bagger entfernt werden. Die
verbleibende Schicht wurde in Koordinaten eingeteilt, so dass sich Würfel
mit einer Kantenlänge von 25 cm ergaben. Jeder Würfel wurde kartiert und
unter fließendem Wasser in einer eigens
eingerichteten Waschanlage, durch ein Sieb mit 0,5 cm Maschenweite,
ausgewaschen. Die Fundstücke, oft nur kleinste Steinsplitter, wurden
vorsichtig geborgen. Durch die Kartierung würde
eine spätere Rekonstruktion der jeweiligen Lage der Fundstücke wieder
möglich sein.
Bild 4. Die Waschanlage in Betrieb
Schon nach wenigen Grabungstagen
zeichnete sich eine deutliche Linie zwischen einer fundreichen und
fundarmen Schicht ab. Die Artefakte lagen in einem eng konzentrierten
Bereich, was nur bedeuten konnte, dass die Steinabschläge bei der
Herstellung an einem Hindernis abgeprallt waren. War der Lagerplatz von
einer Schutzwand aus Zweigen und Blättern oder gar von Tierhäuten
eingefasst gewesen? Es muss sich wohl um eine zeltartige Behausung oder
zumindest um einen Windschutz gehandelt haben.
In der Nordwestecke des fundreichen
Horizontes wurde schließlich in einer kleinen Vertiefung noch eine
Feuerstelle festgestellt. Ein verkohlter armdicker Holzstamm konnte
geborgen werden.
Nach knapp vier Wochen waren die
Grabungsarbeiten abgeschlossen. Einige Tausend Artefakte waren kartiert
und gesichert worden. Die einzelnen Grabungsabschnitte waren im Profil
zeichnerisch und fotographisch dokumentiert worden.
Nun konnten die Bauarbeiten
weitergeführt werden, die nun natürlich noch sorgfältiger beobachtet
werden mussten.
Bei der Verlegung einer Gasleitung ein
paar Wochen später, wurde in knapp 25 m Entfernung des ersten
Fundplatzes, der zweite Fundplatz angeschnitten und „Rüsselsheim 122B“
benannt. Sein
Inventar setzte sich offensichtlich ähnlich zusammen wie der bereits
gegrabene erste Fundplatz. So war dann auch die Ausgrabung des zweiten
Platzes eine selbstverständliche Verpflichtung für die Verantwortlichen.
Die Ausgräber waren die der ersten Kampagne und so konnten ihre
Erfahrungen genutzt werden.
Bild 5. Der zweite Fundplatz
Rüsselsheim 122B
Herr Professor Doktor Fiedler
übernahm wieder die Grabungsleitung. Es zeigte sich jedoch bald, dass
beim Waschen und Sieben der Fundschicht Schwierigkeiten auftraten: Der
sandige Boden war stark mit einem Hochflutlehm
versetzt, der sich eigentlich in dieser Höhe nicht natürlich abgelagert
haben konnte. Eine Hochflut von diesen Ausmaßen hätte keinen Lehm
abgelagert, sondern eher die gesamte Düne abgetragen. Hatten sich die
Bewohner aus dem Lehm eine Schutzwand gebaut?
Viele Fragen müssen offen bleiben –
manches hat sich zwischenzeitlich durch die weitere Bearbeitung der
Fundplätze geklärt.
Bild 6. Prof. Doktor
Fiedler hält einen Vortrag vor Königstädter Schulkindern
Stefan Loew
2. Die weitere Auswertung
Bisher können wir feststellen, dass
die beiden Fundplätze aus der Zeit um 11 000 v. Chr. stammen, worüber
uns eine vulkanische Tuffschicht Aufschluss gibt, die im Befund des
zweiten Platzes eingelagert war: Die mineralogische Zusammensetzung des
Tuffs erlaubt seine Zuordnung zum Ausbruch des Laacher-See-Vulkans in der
Osteifel, der um diese Zeit eruptierte. Die Auswirkungen dieses Ausbruchs
waren katastrophal für Menschen und Tiere im Osteifelgebiet, deren
Überreste in den letzten Jahrzehnten unter meterhohen Tuff- und
Lavaschichten ausgegraben wurden. Asche und Tuffbrocken wurden in die
Atmosphäre geschleudert und in einem nach Norden streuenden Fächer durch
den Wind bis nach Mittelschweden transportiert. Einem zweiten, nach Süden
streuenden Fallout- Fächer, der bis Norditalien reichte, ist es zu
verdanken, dass auch die Gegend von Rüsselsheim von einer dünnen
Tuffschicht bedeckt wurde.
Dieses Datum stellt die beiden
Siedlungsplätze in den Zeithorizont einer der letzten Jäger- und
Sammler- Kulturen Europas, die in Deutschland – nach ihren
charakteristischen Pfeilspitzen – „Ferdermesserkultur“ genannt wird.
Bild
7. Klingen (Eine Auswahl der Werkzeugskizzen des LA Marburg) (Maßstab
1:2)
Jägerische Kulturen- die Lebensform,
in der sich der Mensch zwischen ca. 2 Millionen
bis 5500 Jahren vor Christus bewegte – waren mit steigendem
Bevölkerungswachstum zunehmend
abhängig vom Wildbestand ihrer Umgebung, der eine Haupternährungsquelle
des Menschen darstellte. Lohnendes Jagdwild, das sich in Herden
organisiert, entwickelte sich in offenen Landschaften wie der Steppe oder
der Savanne, die genügend Biomasse boten. Das trockene Eiszeitklima
eignete sich in hohem Maß für die Bildung solcher Biotope, so dass das
Eiszeitalter in gewisser Weise ein ideales Klima für jägerisch
organisierte Kulturen darstellte. Zur Zeit der Besiedlung der beiden
Fundplätze erfuhren jedoch das globale Klima und in der Folge auch Fauna
und Flora einen tiefgreifenden Wandel, indem sich die Atmosphäre
innerhalb weniger Jahrhunderte rapide um 11° C Durchschnittstemperatur
erwärmte und den Übergang in unser heutiges, holozänes Klima
einleitete. Die zunehmende Bewaldung stellte eine Herausforderung für den
Jäger dar, da die vergleichsweise geringe Biomasse des Waldbodens nur
noch Einzelwild Nahrung bot und die Jagd schwieriger machte. Nach heutigem
Erkenntnisstand kann dies die Ursache für die Erfindung einer präziseren
Jagdwaffe gewesen sein: Die Jagd mit Pfeil und Bogen wird in dieser Zeit
zum beherrschenden Kulturmerkmal, das sich auf den Fundplätzen in
charakteristischen Pfeilspitzen, den „Federmessern“, ausgedrückt.
Die zunehmende Klimaerwärmung- und
festigung trug jedoch wesentlich dazu bei, dass der Mensch innerhalb der
folgenden fünftausend Jahre eine produzierende Wirtschaftsweise
entwickelte (den Ackerbau), welche das Überleben einer weiterhin
wachsenden Bevölkerung unter warmzeitlichen Ernährungsbedingungen
garantieren konnte.
Der Fundplatz liegt in einem
jagdstrategisch ehemals sehr günstigen Gebiet der Rhein-Main-Region. Das
Mainmündungsgebiet bestand vor der Flussregulierung aus einer Vielzahl
mäandrischer Seitenarme des Mains, die sich an der Stufe zum
Oberrheinischen Tiefland – ungefähr bei Raunheim- ausbildeten und eine
bis zu 5 km breite Flussterasse schufen. Die Verteilung des Flusswassers
auf eine derart vergrößerte Fläche bewirkte, dass die Wassertiefe in
diesem Gebiet allgemein sehr gering gewesen sein muss und für die
Tierherden hier eine der wenigen Gelegenheiten bestand, den Main zu
überqueren.
Bisher konnten nur die
Hinterlassenschaften der Siedler des ersten in Rüsselsheim entdeckten
Wohnplatzes (Rüsselsheim 122 A) näher untersucht werden. Sie bestehen
ausschließlich aus Steinartefakten, da sich die meisten anderen
Materialien nicht über einen so langen Zeitraum erhalten.
Bestimmte Steine haben Eigenschaften
und eine innere Struktur, die uns erlaubt, sie zielgerichtet zu bearbeiten
und aus ihnen Waffen und Werkzeuge für bestimmte Arbeiten anzufertigen.
Die Entscheidungen, die der Mensch bei der Herstellung seines Werkzeugs
treffen musste – angefangen bei der Zielsetzung seines Vorhabens und der
Wahl des Gesteins, über die von ihm gewählte Bearbeitungstechnik und
Aufteilung der Arbeitsschritte bis hin zur Verwertung der bei der
Steingeräteherstellung angefallenen Abfälle – und der individuelle
handwerkliche Stil, in dem das Werkzeug schließlich erscheint, ergeben
ein Gesamtbild der Arbeitsorganisation einer Menschengruppe. Es macht uns
möglich, räumliche und zeitliche Grenzen steinzeitlicher Kulturen zu
erkennen und auf ihre Lebensbedingungen zu schließen.
Das
Inventar an Werkzeugen und Waffen setzt sich aus Kratzern (Kratzwerkzeuge,
evtl. zum Bearbeiten von Tierhäuten), Sticheln
(Ritzwerkzeuge, u. a. zur Bearbeitung von Knochen,
Herstellung von Knochennadeln), Bohrern (zum Durchbohren von z.B.
Muscheln, bei der Schmuckherstellung), einfachen Steinklingen (als
Schneidwerkzeuge) und den charakteristischen
Pfeilspitzen („Federmessern“) zusammen, wobei Klingen, Kratzer und
Federmesser bei weitem das Inventar dominieren.
Bild 8: Stichel (Maßstab
1:1)
Ein hervorstechendes Merkmal der Befunde ist ihre enorme Vielfalt von
Rohmaterialien für die Steinverarbeitung. Allein in der Konzentration
Rüsselsheim 122 A ließen sich 14 verschiedene Rohmaterialien
unterscheiden. Es stellte sich heraus, dass dem Rohmaterial eine
herausragende Rolle in der Arbeitsorganisation zukam: Die
Bearbeitungsmerkmale des
Materials und seine Gewinnung im
Gesamtvolumen ließen unterschiedliche Aufgabenbereiche erkennen, die dem
jeweiligen Material bei der Steingerätherstellung zugedacht wurden. So
zeigte sich, dass bestimmte Rohstoffe für Routinearbeiten des
Siedlungsalltags reserviert waren. Sie heben sich von den anderen durch
Merkmale ab, die eine gewisse Planungstiefe bei der
Steingeräteherstellung erkennen lassen: Eine systematische Nutzung der
Materialeigenschaften des Gesteins und eine strukturierte Verwertung der
hergestellte Grundformen (d.h. der beabsichtigten Rohformen – Klingen,
Abschläge- und der Abfälle) zeigte, dass Werkzeuge dieser Materialien
für Arbeiten produziert wurden, die offensichtlich regelmäßig anfielen,
und einen durchorganisierten Herstellungsprozess lohnten.
Bild 9: Kerne (Maßstab
1:2)
Werkzeuge aus diesem Material bilden
die große Mehrzahl der Funde. Sie unterscheiden sich von Geräten aus
anderem Material, die wenigerstrukturiert wurden und offensichtlich in
Sondersituationen spontan angefertigt wurden. Letztere zeigen stets eine
einseitige, zielgerechte
Werkzeugherstellung, die jeweils speziellen Zwecken im Siedlungsalltag
diente.
Gründe für diese zweckorientierte
Materialauswahl kann man einerseits in den unterschiedlichen
Materialeigenschaften erkennen. Jedes der Gesteine lässt sich zu einem
bestimmten Steingerätetyp zuordnen, dessen Herstellung durch die
Eigenschaften des ihm zugeordneten Rohstoffs unterstützt wird.
Andererseits spielte die Zugänglichkeit der Rohstoffe für die Siedler
eine große Rolle, so dass die Kombination dieser beiden Kriterien
schließlich entscheidend war für die Funktion eines bestimmten
Rohmaterials im Siedlungsgeschehen: So wurde die Mehrzahl der Steingeräte
aus Kieselschiefer hergestellt, da er als Maingeröll unmittelbar am
Fundplatz zur Verfügung stand. Seine jedoch ungünstigen
Materialeigenschaften ( ein stark zerklüftetes Gestein, das sich bei der
Bearbeitung leicht in Einzelteile auflöst) wurden jedoch dadurch
ausgeglichen und sogar genutzt, indem es fast ausschließlich für kleine
, massive Werkzeuge benutzt wurde (wie z.B. Kratzer).
Bild
10: Kombiniertes Werkzeug Kratzer (A) mit Stichel (B) - vielleicht so
etwas wie das Schweizer Messer der Steinzeit
(Maßstab 1:1).
Chalcedon ist ein Material, dass auch
die Herstellung von länglich- grazileren Geräten erlaubt, jedoch- nach
bisherigem Forschungsstand – nur in der Gegend des 30 km entfernten
Lämmerspiel (Mühlheim –Main) vorkommt. Dementsprechend wurde es
ökonomischer gehandhabt und auf dem Fundplatz vorwiegend zur Herstellung
von Klingen und Pfeilspitzen benutzt. Eine dem Chalcedon vergleichbare
Funktion hatte der Tertiärquarzit, der die dritte große
Rohmaterialgruppe auf dem Fundplatz darstellt.
Die Herkunft der Gesteine gibt
außerdem Auskunft über die Herkunft der Siedler von Rüsselsheim 122 A
und über die Größe des Territoriums, dass sie im Umkreis des
Fundplatzes zur Nahrungsbeschaffung nutzten.
So ist es wahrscheinlich, dass diese
Menschengruppe aus einer Gegend nördlich der ungefähren geographischen
Breite von Düsseldorf kam: Die Geräte aus einem bestimmten
Feuerstein-Typ weisen alle Merkmale eines „Werkzeug-Sets“ auf, dass
die Jäger-Sammelgruppe während ihrer Wanderbewegung mit sich nahm. Sie
sind aus dem sog. „Baltischen Feuerstein“ gefertigt. Dieses Gestein
stammt aus den Gebieten der südlichen Gletscherausläufer des
Eiszeitalters, die um ca. 20 000 v. Chr. von Skandinavien aus bis auf
diesen Breitengrad vorgedrungen waren.
Es wird angenommen, dass der Mensch
auf seinen Jagdausflügen den täglichen Rohmaterialbedarf deckte, so dass
die Gesteine auf dem Fundplatz Zeugnis ablegen über die Jagdgebiete der
Siedler. Die in Rüsselsheim 122 A aufgetretenen Gesteine stammen – nach
heutigem Wissen – aus einem Umkreis von 30 km (Mülheim- Lämmerspiel),
zwei größere Rohmaterialgruppen sogar mind. 60 km Entfernung (Vogelsberg
oder Eifel). Vorausgesetzt, dass sämtliche Gesteine des Fundplatzes von
derselben Menschengruppe stammen, nutzten die Siedler von Rüsselsheim 122
A einen Umkreis von 60 km für ihre Subsistenz.
Als Fundplatz der Federmesser- Kultur
steht Rüsselsheim nicht allein in Deutschland: In unmittelbarer
Nähe (Mülheim- Steinheim) wurden in den siebziger und achtziger Jahren
die Fundplätze Hausen I und II, Reuterrain, Waldabteilung 92 und
Mühlheim-Dietesheim entdeckt, von denen jedoch nur letztere ähnlich
ausgedehnte Befunde aufweist. Die bekanntesten Federmesser-Fundorte
Deutschlands befinden sich im Neuwieder Becken, die wegen ihrer guten
Erhaltung zur Berühmtheit gelangt und in vielerlei Hinsicht den Befunden
von Rüsselsheim 122 entsprechen.
3. Zukünftiges
Weitere Untersuchungen zur
Siedlungsstruktur Rüsselsheim 122 A sind im Gang, ebenso die Analyse des
Fundplatzes Rüsselsheim 122 B.
Ob der gesamte Fundkomplex einmal im
Museum repräsentativ und didaktisch ausgestellt sein wird liegt in der
Hand unserer Stadtväter. Vorstellbar ist ein Rekonstruktionsversuch mit
lebensgroßen Figuren, einschließlich der gefundenen Werkzeuge und
Waffen. Alternativ besteht die Möglichkeit die Funde im Darmstädter
Museum auszustellen.
8.
Aug. 2002
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