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Zur
Klarstellung
Betont
muss aus gegebenem Anlass noch einmal werden, dass es nicht in der Absicht
des Verfassers liegt, mit den folgenden Aufsätzen eine vollständige und
zusammenhängende Darstellung der Geschichte von Königstädten zu geben,
dass er vielmehr nur besonders interessante, vernachlässigte und neue
Aspekte herausstellen will. Dass manche Aussagen bis zu einer vermutbaren
Bestätigung durch andere bzw. eingehendere Untersuchungen "nur"
den Rang der Wahrscheinlichkeit besitzen und in der Regel keine konkreten
Jahreszahlen erschließbar sind, wo sie nicht direkt überliefert werden,
darf man nicht zum Vorwurf machen, weil auch niemand anderer dort eine
absolute Sicherheit vorgeben dürfte, wo sie nicht erreichbar ist. Oft
genug ist allerdings die behandelte lokale Geschichte in der ferneren und
näheren Vergangenheit mit einem ungerechtfertigten Anspruch unter
Vorspiegelung einer falschen Sicherheit dargestellt worden, manchmal aus
lobenswerten pädagogischen Gründen, häufiger aber wohl mit
rechthaberischer, diktatorischer Selbstherrlichkeit, und oft genug geschah
dies, um das Theoriehafte der Aussagen einem Publikum gegenüber zu
verschleiern, das zum "Nachdenken" und zur
"Nachprüfung" gar nicht erst angehalten werden sollte. Der
Verfasser sieht es nicht zuletzt als seine Aufgabe an, solche örtlichen
Geschichtsmythen zu hinterfragen (und also gegebenenfalls auch zu
bestätigen), allerdings so, dass der Verlauf der Argumentation
nachvollziehbar bleibt. Auf diese Weise wird dem aufmerksamen, wirklich
interessierten Leser eine eigene Entscheidung nicht abgenommen, sondern
angetragen; alles in allem wird er indessen viel mehr Gesichertes erfahren
als Ungesichertes. Von
Stetin zu Königstädten
Das
Dorf Königstädten ist als
die uralte alemannische bzw. vorfränkische Gründung, die es nach Ausweis
gerade auch des ‚-städten’-Namens zu sein scheint, eine der besonders
alten, wohl bis vor 450 n. Chr. zurückreichenden Siedlungen unseres
Gebiets. Der Name des örtlichen Vereins ‚Alemannia Königstädten’
spielt auf die Überzeugung von der Gründung in der Alemannenzeit unseres
Raums nach dem Fall des römischen Grenzwalls ‚Limes’ ca. 260 n. Chr.
an. Man
konnte danach aufgrund der (allerdings erst im Spätmittelalter
nachweisbaren) Ergänzung des ursprünglichen einfachen Namens "Stetin"
(=,,-städten'') zu "König(s)städten" sogar vermuten, dass in
Königstädten der Sitz eines der alemannischen (Klein-)Könige des Raums
gewesen ist, von denen wir zumindest zum 4. Jahrhundert n. Chr. erfahren. [1]
Nun dürfte jedoch die volkstümliche Beifügung des besitzanzeigenden
Bestimmungswortes "König" zum einfachen Namen "Städten“
doch erst recht viel später im Hinblick auf den damaligen fränkischen,
bzw. deutschen Königsbesitz erfolgt sein, als auch andere der
ursprünglichen "Adelssiedlung" Rüsselsheim direkt oder
indirekt benachbarten Orte, "Bischofs-heim" und der "Mönch-hof",
in der Umgangssprache nach den dort keineswegs ursprünglichen
Eigentümern (bzw. deren Stand), dem Bischof von Mainz, den Mönchen von
Kloster Hornbach in der Pfalz, benannt wurden. [2]
In besonderen Arbeiten ist
über die ursprünglichen, von Männernamen hergeleiteten Namen von
Bischofsheim (=’Rochenheim’) und des Mönchhofs (=’Wüsten-Eddersheim’)
gehandelt worden. Immerhin:
Der Besitz des fränkischen Königs in Königstädten, von dem wir gleich
bei der Erstnennung des Orts im so genannten Lorscher Reichsurbar des 8.,
spätestens des 9. Jahrhunderts [3]
zu hören bekommen, mag unmittelbare Folge von alemannischem Königsbesitz
sein, weil der Frankenkönig hier, wie in der Forschung auch sonst
angenommen, den Besitz alemannischer "Vorgänger" geerbt bzw.
konfisziert haben könnte; und so muss man sogar ernsthaft prüfen, ob
nicht Königstädten in alemannischer Zeit doch so etwas wie ein zentraler
königlicher Ort gewesen ist, und ob nicht sogar schon der einfache Name
"Stetin/ Städten" darauf verwiesen haben mag. In
Frühzeit eine Burg?
Für
eine alte, noch lange nachwirkende Mittelpunktsfunktion des Orts spricht
zunächst der Umstand, dass Königstädten in der Frühzeit, für die
Schriftquellen fehlen, allem Anschein nach eine Burg besessen hat; ihre
Lage gegenüber der Kirche kann man noch ziemlich genau bestimmen, aus der
modernen Hofbezeichnung "Bork" und aus Schriftzeugnissen über
diesen "Bork"-Hof. Es
ist, von der Wortkunde her geurteilt, ganz unwahrscheinlich, dass die
Lokalforschung (etwa F. Höngen in seiner Geschichte der Gemeinde
Königstädten, 1950, maschinenschriftlich im Museum, S. 23) recht hat,
wenn sie meint, die "Bork" genannten Baulichkeiten seien
ursprünglich keine wirkliche "Burg", keine wirkliche
Befestigung, nur der vergleichsweise große Wohnsitz des Zentgrafen (der
kein Graf in unserem Sinne war) bzw. der Schultheißen gewesen: Ein
bloßes größeres Haus bzw. eine größere bäuerliche Hofreite wäre zu
keiner Zeit so einfach als "Burg" bezeichnet worden. Ohne
Schwierigkeit anzunehmen ist dagegen, dass der „Bork" bzw.
"Borkhof" genannte Hof an der Stelle einer wirklich früheren
Burg/Befestigung steht bzw. stand und seinen Namen davon geerbt hat. Ob
diese "Burg" allerdings ins alemannische Frühmittelalter
zurückreichte, ist eine andere Frage. Am
Hauptarm des Mains
Für
eine Zentrallage in alemannischer Zeit nach 260 n. Chr. plädiert
jedenfalls entschiedener, dass Königstädten im Frühmittelalter,
erkennbar an den noch heute sichtbaren „Lachen", am damaligen
Hauptarm des Mains bzw. am damaligen Untermain gelegen haben dürfte, ehe
der Main hauptsächlich das schon zur Römerzeit und auch noch etwas
später durchflossene Bett an Kostheim und Hochheim vorbei benutzte; dies
ist im 8. Jahrhundert bzw. zur Zeit des Lorscher Reichsurbars/zur Zeit der
Erstnennung Königstädtens ca. 764/5 anscheinend wieder der Fall
gewesen. Auf
einen zeitweiligen frühmittelalterlichen Haupt-Mainverlauf an
Königstädten, Bauschheim und Ginsheim vorbei führt ja auch, wie ich
schon mehrfach ausgeführt habe, die Existenz der so genannten
"Fünfdorfmark", der Zusammenschluss der fünf mittelalterlichen
Dörfer Bischofsheim, Seilfurt, Rüsselsheim, Raunheim und Flörsheim: Der
Einbezug auch Flörsheims, das heute durch den Main nachhaltig von den
übrigen Orten getrennt, allein nördlich des Flusses liegt, zeigt an,
dass zur Zeit der Einrichtung der "Fünfdorfmark" noch alle
fünf Dörfer nördlich des damaligen Untermains lagen und dort einen eng
zusammenhängenden Besitzkomplex (nicht des Königtums, sondern einer
großen Adelsfamilie) bildeten - und in der Tat führen die Lachen, z. B.
die Horlache, die den alten Untermainlauf markieren, südlich und östlich
an allen fünf Dörfern vorbei: Die den ‚Fünf Dörfern’ sicher
später vom Königtum zugestandenen gemeinschaftlichen ‚Mark’-Waldungen
und Königstädten aber lagen sicher immer südlich bzw. östlich des
Mains. Der ‚Fünfdorfmarkwald’ bildete ursprünglich wohl einen Teil
des dortigen königlichen Forsts, und Königstädten stellte
möglicherweise eine Art königliche Residenz dar, im Frühmittelalter
nicht nur am Fluss selbst gelegen, sondern eben auch wie heute am Rand der
großen, damals fast undurchdringlichen Wälder, die in Kriegszeiten eine
willkommene Zuflucht für die Allgemeinheit boten. Von
Trebur überflügelt
Im Blick auf die zeitweilig sehr günstige militärische und verkehrsgeographische Lage Königstädtens, die wir erschließen können, erscheint es nun von höchstem Interesse, dass Königstädten auch ziemlich genau in der Mitte eines "Alt-Rheingaus" gelegen hat, der von der Geschichtswissenschaft als einmal am rechten Rheinufer von Lorsch an der Weschnitz bzw. Weinheim bis Lorch hinter dem Binger Loch reichend dargestellt wird - er ist entstanden und von den Alemannen dieses Raums benannt worden, als der Rhein noch die Staatsgrenze zwischen dem Römischen Reich und dem freien Germanien bildete, also nach 260 und ca. 450 n. Chr. Der Untermain, an dem ich Königstädten damals vermuten möchte, hat dieses verhältnismäßig große Gebiet (der ganzen heutigen hessischen Rheinregion) in etwa halbiert ehe es in fränkischer Zeit, im 8. Jahrhundert oder noch früher, durch die Einrichtung des so genannten "Königssondergaus" um Wiesbaden (bzw. Mechthildshausen) [4] dreigeteilt bzw. in zwei Teile auseinander gerissen wurde.
Spätestens mit der Errichtung des fränkischen Königssondergaus aber dürfte die alemannische Gründung Königstädten die vermutete, auch an dem Kartenbild erkennbare ganz zentrale Bedeutung verloren haben und vor allem durch Trebur überflügelt worden sein; die Verlegung des Haupt-Mainlaufs nach Norden wird hier mitgespielt haben. Dass
man auf der richtigen Spur ist, dafür spricht nun auch der bisher
ebenfalls nicht beachtete, aber genau besehen doch höchst bemerkenswerte
Umstand, dass es den scheinbar so nichts sagenden und alltäglichen, aber
in unserem Raum eben doch relativ seltenen Namen
"Stetten/Stätten/Städten", der sich in der Mitte des
erschließbaren alt-alemannischen ‚Alt-Rheingaues’
findet, in benachbarten alten, ebenso einst zum Alemannenland gehörigen
Gauen jeweils nur einmal und dies in zentraler Lage gegeben zu haben
scheint. So
findet sich im unmittelbar benachbarten und gleichzeitig ebenso nach einem
Fluss benannten ‚Niddagau’ - ziemlich in der Mitte - ein einziges
altes "Städten" (= wohl das heutige "Oberstedten" bei
Bad Homburg), [5]
und in der diesem Gau wiederum unmittelbar benachbarten ‚Wetterau’
wieder nur eins (= heute "Kilianstädten"), das wiederum etwa in
der Mitte zu liegen kommt, wenn man die einstige Ausdehnung der Wetterau
bis zur Kinzig und Fulda berücksichtigt; und an all diesen Orten befand
sich im Mittelalter Königsgut. Mittelpunktfunktion
Auch
"Nastätten" in der Mitte des dem Rheingau unmittelbar nördlich
benachbarten mittelalterlichen Einrich-Gaus
(zwischen Lahn und Taunus) innerhalb des Limesbogens dürfte einmal einen
einfachen "Städten"-Namen getragen haben, den einzigen des
Gaus, der sich damit wohl schon als alemannisches Gebilde herausstellte
wie die anderen genannten Gaue. Der
bisher schwer zu erklärende Ortsname Nastätten, in der ältesten
Bezeugung "Nasteden", ist -
nach Ausweis ähnlicher Agglutinationen wohl entstanden aus der
alltäglichen Fügung "(zu/in de)n Â-steden",
indem man das -n
des Artikels, in der Aussprache sowieso schon eng mit dem Namen verbunden,
im Verlauf der Zeit als zum Namen gehörig empfand; dieser erschien ja
auch nicht mehr zur Gänze durchschaubar, sobald die Bedeutung der
seltenen Vorsilbe " Â-"
(uns geläufig aus den mittelalterlichen Schreibungen der heutige
Ortsnamen "O-Kriftel"
und "O-Karben
[6]
bei "Kriftel" und "Karben"!) nicht mehr verständlich
war! Nach Abwägung der sprachlichen und sachlichen Gegebenheiten kommt
man zu dem Schluss, dass ein Name "Â-stetin"
einmal in etwa "ehemaliges Städten'' bedeutet hat; wenn der Name
"Städten" auf eine einstige frühmittelalterliche
Mittelpunktfunktion in der Alemannenzeit des Landes verwiesen hat, zeigt
der Name "Nastätten" also an, dass Nastätten diese Funktion
schon verloren hatte, als die anderen genannten "Städten"-Orte
sie noch besaßen. Beispiel
"Königshofen"
Man
kommt damit zu der weiteren unausweichlichen Folgerung, dass sich hinter
den anscheinend alemannischen "Städten"-Namen
des Mittelrhein-Untermain-Unterlahn-Gebiets
Hinweise auf Mittelpunkte jeweils in "Gauen" organisierter
königlich alemannischer "Verwaltungseinheiten" finden;
[7]
sie wären somit unmittelbar vergleichbar den "Gauen", die sich
einst um die mainfränkischen Orte namens "Königshofen" (im
Taubergau, Badenachgau und Grabfeld), erstreckten. Die
von der Forschung längst in ihrer Eigenschaft als Fiskusmittelpunkte
erkannten "Königshofen"-Orte,
[8] deren Namen ja ebenso wie die der "Städten"-Orte
Mehrzahl-Form
haben, kennt man aus dem mainfränkischen Raum seit dem 8. Jahrhundert;
sie sind allem Anschein nach erst benannt worden, nachdem das Rhein-Main-Gebiet
nicht mehr alemannisch war, sondern (allerspätestens um 500 n. Chr.)
fränkisch geworden war. Dieser Annahme entspricht, dass uns auch in dem
neu errichteten, den vermutlich schon alemannischen "Alt-Rheingau"
in zwei Teile zerteilenden fränkischen "Königssondergau" um
Wiesbaden ein "Königshofen" (bei Niedernhausen) begegnet.
Anscheinend ist in diesem "Königshofen", wohl einer
Neugründung, das Zentrum der Fiskalverwaltung des neuen fränkischen
Königssondergaus gelegen gewesen. [9] Der
Sinn des Namenselements ‚-städten’
Wenn man also die Funktion der fränkischen Orte namens "Königshofen" mit der der (nord)alemannischen Orte namens "Städten" o. ä. vergleichen kann, die noch zur Zeit des alemannischen Königtums benannt wurden, ergibt sich auch eine Antwort auf die bisher schwer zu beantwortende Frage nach dem Sinn des scheinbar so einfachen Dorf-Namens "Stetin/Städten": Es handelt sich bei dem Dorf "Stetin"-Königstädten zum Zeitpunkt der Benennung durch Alemannen um eine Ansammlung von königlichen Hofstätten, und damit von "Königshöfen", die innerhalb des "Alt-Rheingaus" durch besondere Freiheiten und (Mittelpunkt-)Funktionen ausgezeichnet waren und von denen jede einzelne Hofstatt/Hofstätte mit dem zu erschließenden Fachausdruck "Statt/Stätte" bezeichnet wurde. Wenn nun der Name Königstädtens, obwohl offenbar noch
lange "stat"/"stetten" allein den Hinweis auf den
König leisten konnte, trotzdem nachträglich die Beifügung "König-"
erhielt, ist dies in dem Umstand begründet, dass nach der Eingliederung
ins Frankenland die wichtigen "Städten"-Orte
der alemannischen Zeit, wenn auch in der Regel verhältnismäßig spät,
wie anders benanntes Königsgut nach und nach in andere Hände
übergingen, sei es als Lehen, das vom König zurückgefordert werden
konnte, sei es durch Verschenkung usw.; so kam es, dass die ursprüngliche
Bedeutung des Namens "Städten" gegebenenfalls und auf Dauer
nicht mehr unmittelbar erkennbar war, und so mochte nachträglich eine
zusätzliche Bezeichnung doch sinnvoll erscheinen, die den verbliebenen
reichen Königsbesitz an dem einen Ort hervorhob und zugleich diesen
"Städten"-Ort
in Königsbesitz von einem unfernen anderen abhob, der dem König
vielleicht schon sehr lang nicht mehr direkt unterstand und dessen Namen
darum schon einen anderen besitzanzeigenden Zusatz bekommen hatte; zu
denken ist hier an "Wallerstädten"! Über das aufschlussreiche
Verhältnis zwischen diesem Ried-Dorf
und "Königstädten" und über das Bestimmungswort im Namen ‚Wallerstädten’
müsste allerdings in einem eigenen kleinen Aufsatz abgehandelt werden. [1] Vor allem bei dem römischen Historiker AMMIANUS MARCELLINUS. [zurück zum Kontext]
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