Wie in Kinsteere Kerb gefeiert wird | ||
Felix Weilbächer (1989)(Der Aufsatz befindet sich auf dem Stand von 1989.
An einigen Stellen wird auf wichtige Veränderungen hingewiesen, die sich
seitdem ergeben haben.)
Kinsteerer Kerb fällt auf den Sonntag nach Gallus. Gallus ist der 16.10., genannt nach dem heiligen Gallus (550 - 645), der den Alemannen predigte. Ist Gallus selbst ein Sonntag, so ist dies der Kerwesonntag. Seit Menschengedenken sind die Träger des Kerwebrauchtums die
Kerweborsch. Die jungen unverheirateten Burschen ab 15 Jahren richteten in
bis zu drei Zwischen den verschiedenen Gruppen gab es immer den Wettkampf um den höchsten Kerwebaum, um die beste Stimmung im Saal und manche andere Rivalität, aber bei aller Konkurrenz doch viel Gemeinsames. So finden sich in den Archiven viele Fotografien, die Kerweborsch aus den verschiedenen Wirtschaften beim gemeinsamen Zug durch die Gemeinde am Kerwemontag zeigen. Heute sind alleine die "Kerweborsch im Kaisersaal" übriggeblieben. (Inzwischen wird auch bei der Alemannia 07 wieder mit Kerweborsch gefeiert.) Wie sie die Kinsteerer Kerb heute feiern, das soll im folgenden Kapitel den roten Faden des Berichtes bilden; wie es früher war, wird -soweit es übeliefert ist- von Fall zu Fall eingeflochten werden. Noch bis in die 70er Jahre begannen die Vorbereitungen zur Kinsteerer Kerb am Samstag nach der Haßlocher Kerb. In den folgenden Wochen vor der Kerb kamen die Kerweburschen in ihrer Wirtschaft zusammen und beratschlagten den Verlauf der Kerb. Angefangen von der Auswahl der richtigen Kapelle für die Tanzveranstaltungen und den Umzug über das Reimen des Kerwespruches, das Besorgen des Kerwebaumes, bis hin zu den kleinen Besonderheiten, mit denen sie die Veranstaltungen der Kerb würzen wollten, kümmerten sie sich um alles, was für das Gelingen des Festes von Belang war. Vor allem besuchte man aber auch die Kerben der Nachbargemeinden, um sich umzusehen, was die Konkurrenz so leistete. Wenn es möglich war, versuchte man auch schon einmal seine Kräfte zu messen, meist zwar im Gesang und mit Schlachtrufen, es kam aber auch durchaus einmal vor, daß die Fäuste flogen, wenn es die Auswärtigen allzu toll trieben. Und schon immer versuchten die Kerweborsch, unsere Nachbarn mit kleinen Streichen herauszufordern. Dabei galt eine geklaute Kerwefahne oder gar ein abgesägter Kerwebaum als großer Erfolg. Heute haben die Kerweborsch ihre Aktivitäten auf das ganze Jahr
ausgeweitet. Sie treffen sich in der Regel jeden ersten Samstag im Monat in
verschiedenen Wirtschaften Königstädtens. Im März wird der Kerwevadder
gewählt. Das Ergebnis dieser Wahl wird bis Kerwesamstag vor der
Öffentlichkeit als strenges Geheimnis gehütet. <<
zu Inhalt Der Anführer der Kerweborsch wird seit den Jahren nach dem 1. Weltkrieg Kerwevadder genannt. Winter berichtet, daß er vorher einfach "Kerweborsch" genannt wurde. In anderen Gegenden, z.B. in Teilen des Odenwaldes, heißt diese Figur auch "Kerweparre", und der Kerwespruch entsprechend "Kerwepredigt". In manchen Dörfern treten zur Kerb ein Brautpaar alsSymbolfiguren auf. Der Kerwespruch heißt gelegentlich auch "Kerweredd". In Kinsteere ist der Kerwevadder die Zentralfigur der Kerb. Das wird für
die Gäste der Kerb vor allem deutlich, wenn er schließlich am Sonntag den
Kerwespruch vorträgt. Zuletzt führen die Kerwevädder der "Krone" seit 1947 eine
handgeschriebene Chronik, die von Kerwevadder zu Kerwevadder weitergegeben
bis heute 43 Jahre Kerwegeschehen dokumentiert. In ihr sind jeweils die
herausragendenGeschehnisse der Kerb und alle Namen der Kerweborsch des
Jahres verzeichnet. Zu einem Kerwevadder, das ist klar, gehört die Kerwemodder. Hierzu erfahren wir einiges in einem "Originalton-Bericht" eines ehemaligen Kerwevadders: "Wie ich Kerwevadder wern sollt, hon mir die annern erzählt, du mußt e Kerwemodder ho. Un wann du koa Kerwemodder host, dann kanns de deun Kerwespruch noch so gut mache, wann de in de Saal kimmst un host koa Kerwemodder, dann werst de ausgeblose (die Musik spielt en Dusch un dann kannste abhaue). Des hat jo gar net gestimmt, awwer ich hab des geglaabt, ich hatt ja wie gesacht keune Ahnung, ich war ja noch net debei gewese. Un dann is es losgange. Dann sin die zu dritt un zu viert mit mir uff jed Kerb in de Umgeschend; wo en Blechdeckel gerabbelt hat, seun mer hin. Un ich han unner de Töchter des Landes gesucht. Un dann hat ich oa un seun vorbeigedanzt, und die Ganove hinne am Disch han mit em Kopp geschiddelt. Net alles, daß ich des Mädche midde uff de Danzfläch hon stehe losse. Do lache die heit noch driwwer. Die hon mich so uff de Roller genumme, ich waas net was fer Bardiee (Mehrzahl von Partie) mer so dorsch die Lappe gange seun. Schließlich han ich meu Fraa net kennegelernt, sondern sie mich. Mer
seun mit dem Johrgang 48 vun de Schulentlassene noch emol danze gange, mer
hon ja net danze kenne . Neben der Pflege der Geselligkeit wird in den Kerweborschsitzungen vor allem das "Gewußt-wie" von einer Kerweborschgeneration an die nächste weitergegeben. Für die Weitergabe der Kerweborschtraditionen ist dadurch gesorgt, daß die jungen Männer jeweils für einige Jahre bei den Kerweborsch bleiben und so die älteren den jeweils nachrückenden Jahrgängen die Bräuche, die Lieder und die teilweise eifersüchtig gehüteten Geheimnisse der Kerweborsch mitteilen können. Beim Zusammensitzen wird und wurde natürlich auch so manchen Streich
ausgeheckt. Beim Einsiedels Schorsch im "Kuhstallstübbche" -Eingeweihte wissen, das ist der Raum im Nebengebäude rechts neben der Hofeinfahrt- hat sich um 1960 herum folgendes zugetragen: Die Kerweborsch waren nach einer anstrengenden Sitzung groß in Form und wollten noch etwas besonderes vollbringen. Beim Schorsch bestellten sie darum noch zu später Stunde einen Korb voller roher Eier. Der Wirt, nichts böses ahnend, brachte diese auch, was ihm später sehr leid tat. Die Kerweborsch hatten sich nämlich vorgenommen, wieder einmal zu überprüfen, ob es nicht doch möglich ist, rohe Eier durch ein offenes Fenster zu werfen. Wie zu erwarten, gelang es auch diesesmal nicht und die vergeblichen Versuche liefen klebrig von der frisch gestrichenen Wand des Kuhstallstübbches. Rückt die Kerb näher heran, gibt es jede Woche am Samstag ein Treffen
und im Monat vor der Kerb treffen sie sich schließlich sogar zweimal
wöchentlich. Neben den umfangreichen organisatorischen Aufgaben für den
Umzug und die Tanzveranstaltungen gehen einige nun an das Dichten des
Kerwespruches. Der Kerwespruch wird in der Regel vom Kerwevadder gemeinsam
mit einem Ausschuß der Kerweborsch geschrieben, jedoch kam es auch vor,
daß Kerwesprüche aus der Feder eines einzelnen stammten. In dieser Vorbereitungszeit werden die wichtigen Weihen an den
"Füchsen", wie heute die Neuen bei den Kerweborsch in Anlehnung
an die studentischen Burschenschaften genannt werden, vollzogen. <<
zu Inhalt Jeder Kerweborsch ist verpflichtet, immer einen Sektkorken mit sich herumzutragen, ja es gibt sogar manche, die behaupten (natürlich augenzwinkernd), der Sektkorken sei die Seele eines Kerweborsch. Und so kommt ein Kerweborsch zu seinem Sektkorken: Stößt ein junger Mann neu zu den Kerweborsch, muß er sich in seinem ersten Jahr einen Korken ersteigern. Dies geschieht auf einer der Kerweborschsitzungen. Die Füchse steigern dabei gegeneinander. Wie man hört, wurden in jüngster Zeit Preise nahe 100.- DM für den so unentbehrlichen Korken bezahlt. Dieses Geld kommt in die Kerwekasse. Hat der Fuchs seinen Korken glücklich in Besitz genommen, muß er immer
damit rechnen, daß er von den anderen Kerweborsch kontrolliert wird, ob er
ihn auch dabei hat. Das geschieht einfach dadurch, daß einer der
Kerweborsch seinen Sektkorken aus der Tasche zieht und damit auf den Tisch
klopft. Jetzt müssen alle Kerweborsch beweisen, daß sie ihren Korken
dabeihaben, indem sie ebenfalls mit ihren Korken auf den Tisch klopfen. Wer
seinen Korken nicht vorweisen kann, muß eine Runde bezahlen und sich am
besten umgehend seinen Korken besorgen, denn die Kerweborsch schrecken auch
nicht davor zurück, den Test am gleichen Abend zu wiederholen. <<
zu Inhalt Wenige Wochen vor der Kerb müssen die neuen Kerweborsch die Kappentaufe, die so etwas wie die endgültige Aufnahme bei den Kerweborsch bedeutet, über sich ergehen lassen. Durch die Kappe des Kandidaten wird Bier gegossen, das in einem großen
Eimer aufgefangen wird. Die durchnäßte Kappe wird dem Kandidaten auf den
Kopf gedrückt und sorgsam nach hinten gestrichen, wodurch die typische Form
der Kappen der Kerweborsch vom Kaisersaal entsteht; mit ein paar feierlichen
Worten wird dieses Zeremoniell beendet. Sitzt die Kappe ordentlich, muß der
frischgebackene Kerweborsch im Verein mit seinen ebenfalls neu aufgenommenen
Kameraden das im Eimer aufgefangene Bier austrinken. <<
zu Inhalt Als älteste Form der Taufe ist das "Eichen" des Kerweborsch bekannt. An einem Abend, an dem ein noch nicht geeichter Kerweborsch bereits vom Trinken etwas angeschlagen ist, bestimmt der Kerwevadder, daß die Zeit zum "Eichen" gekommen ist. Der Kandidat muß dann mit freiem Oberkörper frei auf einem Stuhl stehend drei Gläser Bier möglichst schnell hintereinander austrinken. Hat er diese Prozedur überstanden, gilt er als geeicht. << zu Inhalt Die Kerweborsch haben in den letzten Jahren zwei Leute zu Ehrenkerweborsch ernannt, was wohl in der Kerwegeschichte Königstädtens einmalig ist. Es sind auch nicht etwa altgediente Kinsteerer, die viel für die Kerb getan haben, denn das sollte für einen "guten Kinsteerer" selbstverständlich sein. Der erste Ehrenkerweborsch ist der ehemalige Königstädter Pfarrer Kai Hentonnen, der als erster finnischer Pfarrer nach Königstädten kam. Er unterstützte die Kerweborsch nach Kräften und zeigte sich immer interessiert. Einige der ausgelassensten Sitzungen wurden bei ihm abgehalten, wobei sich immer wieder zeigte, daß auch ein Pfarrer ein sehr guter Kerweborsch sein kann. Einige Kerweborsch wunderten sich nicht schlecht, als sie ihn, nachdem er
schon fünf Jahre Königstädten verlassen hatte, auf dem Frankfurter
Kirchentag trafen und er sofort einen alten, ziemlich mitgenommenen Korken
aus der Tasche zog und damit überprüfte, ob sie auch ihren Korken in der
Tasche hatten. Auch hat er sich nicht gescheut, auf der Kanzel stehend und
gerade in der Predigt am Als zweiten Ehrenkerweborsch benannte man 1984 Thorben Geyer, den Sohn des ehemaligen Kerwevadders Holger Geyer. Er kam zu dieser Ehre in seinem ersten Lebensjahr, da er am Kerwesonntag '84 in der Königstädter Kirche getauft wurde. Thorben Geyer ist damit der wohl mit Abstand jüngste Kinsteerer Kerweborsch aller Zeiten. Auch er besitzt, wie auch Kai Hentonnen sowohl Korken, als auch eine Kapp. (Inzwischen kamen als Ehrenkerweborsch hinzu der legendäre Kerwevadder und zeitweilige Wirt der Krone Georg Press (verstorben) und Walter Giesecke (verstorben), dessen lustige Bärenzeichnungen seit nunmehr 15 Jahren den Kerwespruch schmücken, dessen Bären sich aber auch auf allen Plakaten, T-Shirts und Gläsern der Kerweborsch wiederfinden.)<< zu Inhalt Antrinken der KerbIn den letzten Jahren hat sich das Antrinken der Kerb am Freitagabend eingebürgert. Abends um 19.00 Uhr treffen sich die Kerweborsch zum Bieranstich in der "Krone". Die Zeit bis 24.00, dem offiziellen Beginn der Kerb, vertreiben sie sich mit Spielen und Singen. Zu den immer wieder geübten Späßen gehören das "Törmsche" (Türmchen) und die "Saufmaschine".Das "Törmsche" besteht aus einem Aufbau folgender Gegenstände, die am Tisch herausgewürfelt werden: unten ein Glas Bier, dann jeweils darüber ein Schnaps, eine Mark (für die Musikbox), eine Zigarette, eine Schachtel Streichhölzer und eine Zigarre. Wer zuerst eine Eins würfelt, erhält die Zigarre, für die Zwei gibt es die Streichhölzer, für die Drei die Zigarette usw. Wer das Bierglas dann mit einer Sechs erwürfelt hat, muß dieses austrinken, bevor der vorletzte Würfler eine Eins würfelt, gelingt ihm das nicht, muß er das nächste Törmsche zahlen, schafft er es, ist der unglückliche Würfler mit Bezahlen an der Reihe. Die "Saufmaschine" ist ein Zweiliterhumpen mit 6 Saugschläuchen. Sechs Kerweborsch versuchen dieses Gefäß mit Bier gegen die Stopuhr möglichst schnell auszutrinken. Der Rekord soll um die 6 Sekunden liegen. Um 24.00 schließlich wird die neue Kerb mit großem Hallo, mit Gesang und mit Tanz auf Tischen und Bänken begrüßt. << zu Inhalt Seit 1877 soll es, laut Winter, in Königstädten einen Kerwebaum gegeben haben. Vorher wurde an den Wirtschaften, in denen Kerb gefeiert wurde, lediglich eine Fahne aufgesteckt, die an ihrer Stangenspitze einen Kerwestrauß aus Blumen und Bändern trug. Die Kerweborsch "beim Reinheimer" stellten vor dem zweiten Weltkrieg statt eines Baumes eine lange geschälte Stange, an deren Spitze ein Fichtenwipfel befestigt wurde. Diese Stange wurde über Jahre aufbewahrt und wiederverwendet. Sie verbrannte in der Bombennacht 1944. Nach dem Kriege wurde dann auch beim Reinheimer ein ganzer Baum gestellt. In früheren Jahren, als samstags noch überall gearbeitet wurde, geschah das Schlagen des Kerwebaumes erst am Nachmittag. Heutzutage treffen sich die Kerweborsch bereits samstags morgens um 6.00 Uhr, um hinaus in den Wald zu fahren, den großen und acht kleinere Kerwebäume ins Dorf zu holen. Die Abfahrt verzögert sich in der Regel etwas, da immer einige Kerweborsch nach dem Antrinken der Kerb am Vorabend Schwierigkeiten mit dem Aufstehen haben. Doch gar nicht zu kommen ist für den Kerweborsch mit einer kostspieligen Strafe belegt. So soll es schon vorgekommen sein, daß Langschläfer ihren Kameraden zu Fuß in den Wald nachfolgten, um ihr Geld zu sparen. Dann geht die Fahrt hinaus mit Traktor und Einachser. Der Baum ist einige Tage vorher von einigen Kerweborsch mit dem Förster ausgesucht worden. Vor Ort gibt es aber trotzdem immer wieder Diskussionen, ob nicht ein anderer Baum noch schöner oder noch höher ist. Die Höhe des Baumes spielte in den Zeiten, als es in Königstädten noch Kerweborsch in mehreren Wirtschaften gab, eine ganz wichtige Rolle. Damals standen große Bäume vor der "Krone", vorm "Reinheimer" und vor der "Kinolore". Man kann in der handgeschriebenen Kerwechronik der Kerweborsch der
"Krone" fast für jedes Jahr die genaue Höhe des Baumes und den
Hinweis nachlesen, daß er natürlich wieder der höchste im ganzen Dorf
war. Bei diesem Bemühen, nicht nur die Kerweborsch der anderen
Wirtschaften, sondern möglichst auch noch das eigene Ergebnis des Vorjahres
zu übertreffen, kam es auch einmal dazu, daß der Baum so lang und schwer
gewählt war, daß man ihn zum Aufstellen um einige Meter kürzen
mußte. Nun bringt jeder der anwesenden Kerweborsch einen mehr symbolischen Axtschlag am ausgewählten Baum an. Das Umlegen wird heutzutage einem Fachmann überlassen. Ist der Baum dann schließlich gut auf dem Einachser befestigt, folgt ein Frühstück im Wald mit Fleischwurst, Brötchen und Bier. Außer dem großen Baum werden noch einige kleinere Bäume geschlagen, die ihren Platz an verschiedenen Stellen in Königstädten finden werden. Die Fahrt zurück nach Kinsteere zum Bismarckplatz mit dem oft 25 m langen Baum verlangt dem Fahrer des Traktors schon einiges an Geschick ab. Die Kerweborsch sitzen dabei auf dem Baumstamm und singen ihre Lieder. Am Bismarckplatz angekommen wird der Baum auf Böcke abgeladen, geschmückt und ausgebessert. Meist leidet der Wipfel beim Fallen und Herausschleifen aus dem Wald. Es müssen neue Äste eingesetzt werden oder gar der ganze Wipfel durch Aufsetzen eines der mitgebrachten kleinen Bäume ersetzt werden. Der Baumschmuck besteht aus einem Fichtenkranz mit angehängten sägemehlgefüllten Würsten und rot-weißen Bändern. Der ganze untere Teil des Stammes ist von den Ästen befreit, der Kranz schwebt in luftiger Höhe unter dem Wipfel. Bis 1982 stand der Kerwebaum direkt an der Hauswand des Nebengebäudes rechts neben der "Krone". Das etwas betagte Gemäuer und Gebälk wollte irgendwann die Belastungen beim Hochziehen des Baumes nicht mehr aushalten; es zeigten sich deutliche Risse. Man entschloß sich darum, den Baum frei in einem gegrabenen Loch aufzustellen. 1986 schließlich wurde im Bismarckplatz ein betonierter Schacht zur Aufstellung des Baumes eingelassen. Während sich eine Gruppe daranmacht, den großen Baum aufzustellen, sind andere Kerweborsch damit beschäftigt, die kleinen Bäume im Ort aufzustellen. Diese finden ihren Platz bei der Altentagesstätte im alten Rathaus, beim "Königstädter Hof", beim Sportlerheim der "Alemannia", vor der "Krone" und vorm "Kaisersaal". Sind alle Vorbereitungen zum Aufstellen des großen Baumes abgeschlossen, lädt der Kerwewirt die Kerweborsch neuerdings zu einem stärkenden Mittagessen ein. Gegen 14.00 Uhr wird, mit langen Leitern unterstützt und mit Seilen gesichert, der Baum nach oben gebracht. Hier nehmen die Kerweborsch auch gerne die Hilfe erfahrener Exkerweborsch in Anspruch, denn das Hochziehen des Baumes ist nicht ganz ungefährlich. Verschiedentlich kam es dabei schon zu Beinaheunfällen, die aber zum Glück außer Sachschäden keine Folgen hatten. Der Kerwebaum würde früher von privaten Waldbesitzern zur Verfügung gestellt, die nach der Kerb den Stamm zurückerhielten. Später wurde der Baum beim Förster geholt und bezahlt. Seit 1962 wird der Baum nach der Kerb verlost, in den letzten Jahren geschieht das im Rahmen der Tombola der Kerweborsch am Nachkerwesamstag. << zu Inhalt Am Kerwesamstag muß mit dem Abholen des Kerwebibbes noch eine weitere
wichtige Aufgabe erfüllt werden. Ein unerfahrener Kerweborsch wird mit
einem Fahrrad zum Nauheimer Bahnhof geschickt, den Kerwebibbes zu holen. In
den letzten Jahren wurde dazu das Fahrad mit bunten Bändern geschmückt. Er
bekommt dort ein schweres Paket ausgehändigt, das in früheren Jahren
einfach ein paar schwere Steine, heute ein Sammelsurium von
zusammengekauften Gegenständen, dazu meist eine Flasche Schnaps und ein
Playboy-Magazin enthält. In jedem Fall wird dieses Paket in der
"Krone" Gegen 19.00 Uhr machen sich die Kerweborsch auf den Weg, die Kerb zu holen. Die vorjährige Kerb liegt in der "Naumer Dann", d.h. im Wald zwischen Nauheim und Königstädten in Form einer Weinflasche begraben, die eine Botschaft des vorjährigen Kerwevadders an die Kerweborsch enthält. Zu dieser Arbeit tragen die Kerweborsch zum erstenmal ihre Kappen und ihre bedruckten T-Shirts. Vor dem Abmarsch schießen sich die Füchse schnell noch den Blumenschmuck zu ihren neuen Kappen, und der Fahnenträger schießt sich den Kerwestrauß zur Fahne zusammen. Heute machen die Kerwborsch sich ohne viele Umstände zu Fuß und ohne Musik oder viel Gesang auf den Weg, während in den 50er Jahren die Kerb gelegentlich mit einem eisenbereiften Schubkarren geholt wurde. In den 60er Jahren begleitete die Kapelle, die abends auch im Kaisersaal zum Tanz aufspielte, die Kerweborsch auf dem Weg in die Naumer Dann. Die Kerweborsch beim Reinheimer begruben und holten ihre Kerb in der
"Kloane Dann" (Kleine Tanne, links vom heutigen katholischen
Gemeindezentrum). Für den Fall, daß die Erinnerung daran, wo im letzten Jahr die Kerb begraben wurde, sich etwas eingetrübt hat, führen die Kerweborsch heimlich eine "Ersatzkerb" mit sich, denn es wäre nicht auszudenken, wenn sie mit leeren Händen zurückkämen. << zu Inhalt Nun geht es zurück in Richtung Kaisersaal, wo die Kerweborsch gegen 20.00 Uhr zu den Klängen des Kerwemarsches erstmals in den Saal einziehen. In den 70er Jahren hat sich dieses neue Zeremoniell eingbürgert: Der letztjährige Kerwevadder wird auf einem Leiterwagen in den Saal gezogen. Noch trägt er als Kennzeichen des Kerwevadders die weiße Kappe. Nach einer Ehrenrunde durch den Saal verliest er die ausgegrabene Botschaft. Diese enthält neben kurzen Bemerkungen zum meist guten Verlauf der letzten viele gute Wünsche zur neuen Kerb. Seit 1972 verkündet er dann den bis zu diesem Zeitpunkt streng geheim gehaltenen Namen des neuen Kerwevadders und übergibt diesem die Kerb. << zu Inhalt Der gerade verkündete Kerwevadder eröffnet mit der Kerwemodder den Tanz in einer Solotour. Nach dem Eröffnungstanz winkt er seinen Kerweborsch mit der Kappe, die auf dieses Zeichen hin mit ihren Kerwemädchen die nächsten drei Tänze alleine bestreiten. Die Kerweborsch, die bis dahin noch kein Kerwemädchen gefunden haben, verschwinden für diese Zeit in der Sektbar, um sich schon einmal einen kleinen Vorsprung anzutrinken. Nach dem dritten Tanz singen die Kerweborsch für die Gäste im Saal ein Schunkellied und geben danach die Tanzfläche für alle frei. Im Laufe des Abends wird die Tanzfläche aber noch verschiedentlich zu Extratouren gesperrt. Heute ist vor allem der Tanz der ehemaligen Kerwevädder gebräuchlich. In den 20er und 30er Jahren gab es den "Tanz der Schorsche". Wie es dazu kam, wird deutlich, wenn man sich einmal ein Gruppenbild der Kerweborsch vom Einsiedel von 1925 betrachtet, auf dem alleine acht "Schorsche" (Mehrzahl von Georg) zu finden sind. Wenn dazu noch alle Gäste, die diesen Vornamen trugen, auf die Tanzfläche gingen, soll, so berichten es Augenzeugen, kaum noch einer auf seinem Platz gesessen haben. Die Kerweborsch versuchen ihre Gäste mit kleinen Einlagen bei Stimmung
zu halten. Dazu gehören heute öffentliche Rekordversuche an der schon
beschriebenen Saufmaschine und kleine Sketche. Die handgeschriebene Chronik
der Kerweborsch berichtet aus dem Jahr 1956 von einer originellen Idee. Zu
den Klängen des Sportpalastwalzers fuhren die Kerweborsch auf Fahräden in
den Saal ein, dort wurden "Reigen nach eigener Phantasie gefahren,
wobei es manchmal zu schweren Stürzen kam." Bekannt war in der gleichen Zeit der Kissenwalzer, bei dem alle auf der Tanzfläche im Kreis standen, während ein Mann oder eine Frau alleine mit einem Kissen in der Mitte tanzte. Irgendwann wurde dann das Kissen vor einer im Kreis stehenden Person ausgebreitet, die auf dem Kissen niederknien mußte. Der Tänzer konnte aber das Kissen im letzten Moment vor den Niederknieenden wegziehen und zu jemand anderem weitertanzen. Wenn endlich nach einigen Täuschungsmanövern die Dame oder der Mann des Herzens auf dem Kissen kniete, wurde das Kissen mit einem Kuß übergeben und der oder die andere setzte den Kissenwalzer als Tänzer fort. Im Saalbau Reinheimer gab es bis in die 50er Jahre hinein "den
Strimbische", eine auf Strümpfen getanzte Extratour. Die Herren zogen
die Schuhe aus und krempelten die Hosenbeine etwas auf, wobei so manche
lange Unterhose zum Vorschein kam. Die Damen tanzten in Schuhen. Als letzte Einlage des Abends war vor dem Kriege, wie Winter berichtet,
der Besentanz üblich, bei dem ein Kerweborsch mit dem Besen die letzten
Gäste aus dem Saal herauskehrte. Den Tanz am Samstagabend gab es in früheren Jahren nicht. Damals
arbeitete Gegen Ende der 70 Jahre kam die Kinsteerer Kerb zu einer neuen Symbolfigur.Es ist nicht zu rekonstruieren, wer ihn erfunden hat, den "Kerwewatz". Wer von den Kerweborsch an den Kerwetagen besonders negativ auffällt, sei es, daß er in besonderm Maß dem Alkohol zugesprochen hat, oder daß er eine Aktion der Kerweborsch "versaut", muß damit rechnen, daß er mit der schwarzen Kappe zum Kerwewatz ernannt wird. Diese schwarze Kappe trägt er, bis ein anderer ihn mit seinem schlechten Verhalten noch übertrifft. Der letzte Träger jeder Kerb behält die Kappe bis zum nächsten Jahr. Seit einigen Jahren hat es sich eingebürgert, daß der Kerwewatz bei der Tombola am Nachkerwesamstag als Preis für einen Tag mit seiner vollen Arbeitskraft an den "glücklichen" Gewinner geht. Wie man hört, sollen Gewinner schon dankend auf diese Arbeitskraft verzichtet haben. Warum, ist allerdings nicht bekannt. << zu Inhalt Der Kerwesonntag beginnt für die Kerweborsch mit dem gemeinsamen Kirchgang. Auch heute noch ist er unumstrittener Bestandteil der Kerb.Geputzt mit Kappe, Schärpe und im Anzug treffen sich die Kerweborsch vor der Kirche. Die Strapazen der Vorabends haben in den Gesichtern und in der Haltung ihre deutlichen Spuren hinterlassen. Der Kerwevadder und gelegentlich weitere Kerweborsch beteiligen sich neuerdings an den Lesungen im Gottesdienst. Die anderen haben meist genug damit zu tun, sich wach zu halten. Eine besondere Begebenheit aus den Nachkriegsjahren berichtet Georg Preß: Ziehet eure Schuhe aus Es war 1949 noch in der Notkirche im Schulsaal in der Rathausstraße. Die
vereinten Kinsteerer Kerweborsch hockten leicht dösend ihren Pflichtbesuch
des Gottesdienstes ab. Plötzlich, mitten in der Predigt unseres
wortgewaltigen Pfarrers Ludwig Ramge, kam die Stelle: Nach der Kirche geht es zum Platzkonzert auf den Bismarckplatz. Während die Kerweborsch früher auch am Sonntagmorgen ihren Frühschoppen einlegten, ziehen sie es heute vor, über Mittag noch ein wenig Kraft für den um 14.00 Uhr beginnenden Umzug zu tanken. << zu Inhalt Die Aufstellung des Zuges erfolgt heute, nachdem er zwischenzeitlich einige Modernisierungsversuche erfahren hatte, fast wieder in einer Ordnung, wie sie seit Ende des 1. Weltkrieges bis in die sechziger Jahre hinein üblich war mit Pferden und Rolle. 1967 hatte Hans Debus als Kervevadder dem Zug der Zeit folgend, erstmals einen Kerwespruch vom Frontlader eines Traktors aus gehalten. So hielt man es mit kurzen Unterbrechungen bis Anfang der 80er Jahre, als man sich wieder auf den Wert der alten Kerwetraditionen besann und Kerb in althergebrachter Weise feiern wollte. Vor dem Zug her geht der Fahnenträger mit der rot-weißen Kinsteerer Fahne mit dem Kerwestrauß an der Spitze der Stange. Die Farben der Fahne hatten aus politischen Gründen in unserem Jahrhundert auch schon einmal zu schwarz-weiß-rot gewechselt, um nach den Kriegen doch wieder zum traditionellen rot-weiß zurückzukehren. An Anfang des Zuges reitet der Kerwevadder in Frack und Zylinder mit weißer Hose, links und rechts neben ihm die beiden Beireiter ganz in weiß gekleidet. Sie tragen wie alle Kerweborsch eine rot-weiße Schärpe mit einer Aufschrift, die seit 1979 lautet "Kerweborsch im Kaisersaal." Solange die Kerwewirte echte Kinsteerer waren, bezogen sich die Aufschriften direkt auf den Wirt: "Kerweborsch beim Reinheimer", "Kerweborsch beim Einsiedels Schorsch" (bis 1967), "Kerweborsch beim Presse Schorsch" (ab 1969). In früheren Jahren waren, wie man auf dem nebenstehenden Bild gut erkennen kann, die Pferde mit mächtigen Fichtenkränzen festlich geschmückt. Alle Kerweborsch außer dem Kerwevadder tragen beim Umzug ihre Kappen, an deren Farben man, als es noch verschiedene Gruppen gab, die Zugehörigkeit erkennen konnte. Die Kerweborsch der "Krone" tragen heute rote Kappen. Beim "Reinheimer" waren es die grünen, bei der "Kinolore" die blauen und in er kurzen Zeit, als es im "Cafe Müller" Kerweborsch gab, die gelben Kappen. Der Kerwevadder trägt, das ist seit Jahrzehnten neben dem Zylinder sein Erkennungszeichen, zwei Schärpen. Einer der Beireiter fungiert als Soufleur beim Kerwespruch. In den Jahren nach dem Krieg waren die Beireiter jeweils der Kerwevadder des vorigen und des nächsten Jahres. Da heute die Identität des Kerwevadders lange geheimgehalten wird, ist man von dieser Regelung ganz abgekommen. Diesen drei Reitern folgen in weißen Schürzen zu Fuß die Mundschenke, die Weinflaschen und Gläser tragen, aus denen sie dem Kerwevadder, den Musikern und natürlich sich selbst ausschenken. Dahinter marschierte früher die Musikkapelle und dann eine geschmückte Rolle mit den übrigen Kerweborsch. Heute fährt die Kapelle meist ebenfalls auf einer Rolle und die Kerweborsch gingen zwischenzeitlich auch einmal zu Fuß im Zug mit. Seitlich neben dem Zug sind einige Kerweborsch ständig bemüht, den Zuschauern und Gästen den Kerwespruch in gedruckter Form zu verkaufen. Dies wird erstmals 1951 berichtet. Damals kostete der Kerwespruch -.30 DM, im vergangenen Jahr war er für 1.50 DM zu haben. Diesen Verkauf betreiben die Kerweborsch mit großem Sportsgeist. Es gilt, das Ergebnis des Vorjahres zu übertreffen, denn der Erlös dieses Verkaufes fließt in die Kerwekasse. Am Ausgang des Bismarckplatzes zur Rathausstraße hin sagt der Kerwevadder zum ersten Mal den Kerwespruch auf. Die Art, wie der Kerwespruch vorgetragen wird, ist schwer zu beschreiben. Sie erinnert manches Mal an die Vortragsweise bestimmter Fastnachtsredner, so wie der Kerwespruch auch inhaltlich eine gewisse Verwandtschaft zu den Büttenreden der Mainzer Fassenacht nicht verleugnen kann. In jedem Fall strapaziert der Kerwevadder seine Stimme mit der Vortragsart gewaltig; zwar liest man meist vom Aufsagen des Kerwespruches, "Auskreische", wie die Kinsteerer sagen, wäre aber vielleicht treffender. Kellner, du mer emoal e Gläsche reiche, mei Kehl is drocke vum viele
Kreische. Zur Verstärkung der Stimme benutzte der Kerwevadder früher ein Blechmegaphon, heute leistete die Elektronik Ünterstützung. Das alte Blechmegaphon, "die Kerb" genannt, begleitet aber noch heute die Kerwebosch als Symbol. Früher wie heute mußte der Kerwevadder hin und wieder seine Stimme ölen. Dafür gab es im Kerwespruch immer wieder gebrauchte Formeln wie: Drum Kellner schenk die Gläser voll Weu. die Kerweborsch antworten im Chor: UNSER SEU ! Zur nächsten Station leitete der Kerwevadder über mit der Wendung: Drum August haach emol uff die Trummel un weiter gehts im Kerwerummel! Der Zug bewegt sich danach, mit kleinen Abweichungen über die folgenden Stationen durch Königstädten, und überall dort muß der Kerwevadder erneut seinen Spruch aufsagen: Käserei Einsiedel, altes Rathaus, Metzgerei Stoffel, Metzgerei Berenz. Schließlich kehrt er zurück zur Krone, wo der Kerwewirt gegen 16.00 Uhr die Kerweborsch zu Kaffe und Kuchen einlädt. Früher begann um diese Zeit der Kerwetanz. Nachdem einige Jahre der Saal um diese frühe Nachmittagszeit keine Gäste mehr anzog, hat man den Kerwetanz auf 20.00 Uhr verlegt. << zu Inhalt "Und im Dorf hinauf, hinunter ..." Mit Spannung wird alljährlich von der Kinsteerer Bevölkerung der Kerwespruch erwartet. Er berichtete ursprünglich ausschließlich Geschehnisse aus der Gemeinde. Seit es Kerwesprüche gibt, sind die bevorzugten Themen die bekanntgewordenen Seitensprünge, spektakuläre Mißgeschicke und andere Dummheiten der Dorfbewohner gewesen. Diese Themen werden mit derbem Humor, mit teilweise unverholener Schadenfreude ausgebreitet und meist mit einem nicht immer ernst gemeinten Ratschlag an den Betroffenen versehen. "Haal deu Maul, un zieh deun Bierbauch eu, Manch einer stellt sich also die Frage, ob er mit seinem Mißgeschick des vergangenen Jahres vielleicht Eingang in den Kerwespruch gefunden hat und dort durch den Kakao gezogen wird. Als früher der Kerwespruch bereits Samstagsabends in der Wirtschaft zum ersten Mal in einer begrenzten Öffentlichkeit vorgestellt wurde, saßen immer einige dabei, die lieber hier schon erfahren wollten, ob sie im Spruch waren, damit sie nicht sonntags beim Zug standen und vor aller Ohren "ihre Schandtaten" anhören mußten. Dabei, und das war schon immer ungeschriebenes Gesetz, wurden nie Namen genannt. Doch als das Dorf noch klein war, wußten viele auch mit sehr vorsichtigen Andeutungen zur Identität des an den Pranger Gestellten etwas anzufangen. Nicht alle Kerweborschjahrgänge waren auch gleich taktvoll. Es gab auch Versuche, im vorhinein zu erfahren, ob man im Spruch war. Aus den Schwarzmarktjahren nach dem Krieg wird erzählt, daß das einer Frau gar eine ganze Stange Zigaretten -zu damaliger Zeit ein kleines Vermögen- wert gewesen wäre. Sie bedrängte den Kerwevadder, es ihr doch zu sagen, wenn sie im Spruch sei, dann würde sie sich gar nicht erst ein Kerwekleid kaufen, denn so blamiert würde sie nicht zur Kerb gehen. Wenn man dem Bericht glauben darf, ließ sich der Kerwevadder jedoch nicht verlocken, auch nur ein Sterbenswort zu sagen, obwohl er wußte, daß die Frau gar nicht im Kerwespruch genannt war. Und selbstverständlich wird auch heute, nach vierzig Jahren, weder ein Name, noch die Tat, um die es ging, genannt. Als Beispiel wahrer Diskretion übermittelt uns Georg Press, Kerwevadder beim Einsiedel 1948, die folgende Geschichte: "Wir waren zu dritt am Spruchbauen: Erich Stephan, Ludwig Bärsch
und ich. Georg Bärsch (der Bruder von Ludwig Bärsch) fragte, ob wir schon
dies und jenes gehört hätten. Unter anderem erzählte er uns die folgende
Geschichte, die wie geschaffen für unseren Kerwespruch war: Nun wollten wir natürlich wissen, wer das gewesen sei, aber Georg sagte es uns nicht, versicherte nur, es sei wahr. Das Geschichtchen kam schließlich in den Kerwespruch. Während des Umzuges hielt ich (als Beireiter) Ausschau nach dem Förster und entdeckte ihn endlich auch. Als der bewußte Vers an der Reihe war, lachte er herzhaft. Nach dem Umzug fragte ich den Förster, wer denn die Frau gewesen sei. Als der merkte, daß wir gar keine Ahnung hatten, um wen es sich in unserem Spruch handelte, sagte er: "Dann bleibt das auch ein Geheimnis." Und so ist es bis heute geblieben." << zu Inhalt "Nach Neu-Graslitz 1 km" Meist wurden im Kerwespruch auch die lieben Nachbarn südlich des Grenzweges bedacht. Von dort zu uns wurde auch so mancher Spott auf den Weg gebracht.Dabei waren die Kinsteerer immer etwas im Vorteil, denn, da sie mit der Kerb später lagen, konnten sie den "Naumern" oder den "Sandhase", wie unsere Nauheimer Nachbarn hier genannt werden, antworten. Aus dem Jahre 1949 wird folgende Begebenheit von allen, die es erlebt haben, gerne erzählt, und in drei Kerwesprüchen hat sich diese Geschichte niedergeschlagen: Die "Naumer" hatten es doch gewagt, in ihrem Kerwespruch mit dem Gedanken einer Eingemeindung Königstädtens zu spielen. Jeder, der weiß, was es mit der alten "Freundschaft" zwischen Naum und Kinsteere auf sich hat(te), kann sich vorstellen, wie dieses Ansinnen die Dorfbewohner in Rage versetzte. Es gab eine "Krisensitzung" mit Vertretern der damals drei Kerweborschgruppen (Krone, Reinheimer, Kinolore), in der beraten wurde, wie man auf diese Ungeheuerlichkeit antworten sollte. Natürlich kam nur eine friedliche Antwort in Frage, man wollte den Naumern mit gleicher Münze zurückzahlen. Der Kinsteerer Kerwespruch sollte die Antwort sein. So wurde in allen drei Gruppen fleißig gedichtet. Als man die Ergebnisse gesichtet hatte, war klar, der Kerwespruch der Kerweborsch der Kinolore war der treffendste. So schallte es am Sonntag durch die Kinsteerer Straßen: Jetzt wolle mer unns emol mit unserm Nachbarort messe, Eich Städter braucht mer nor oan Doag es Wasser zu sperrn, Eine Kopie des Kerwespruches der Kerweborsch vom Einsiedels Schorsch zeigt heute noch deutlich, wie der Kerwevadder Erich Stephan 1949 dem schon fertigen Spruch handschriftlich die folgenden Zeilen hinzufügte: Ja ehr Leit, jetzt weern ich eigentlich an de Schluß gekumme, Die Kerl, die hatte sich jo net gescheemt Am Kerwemontag zogen um die Mittagszeit Kerweborsch aus allen drei Wirtschaften gemeinsam nach Naum. Augenzeugenbericht: "Mer daafe se um" Die Pointe des Kerwespruches "... wolle mer eich NEU-GRASSLITZ
daafe" sollte in die Tat umgesetzt werden. Vor dem Zug her ritt Fritz
Krummeck mit einem stattlichen Holzschild, das die Aufschrift "NACH
NEU-GRASSLITZ 1 km" trug. Als greestes Ereignis sei die Invasion in Naum zu nenne, Die Kinsteerer hatten im Stillen mit einer Rückantwort der Naumer gerechnet: "Mer hadde dann befürchtet - unn des war gut, daß des net worn is - mer honn geglaubt, die Naumer käme mit Fuhrwerke un Geil eriwwer. Do wollte mer die Feuerwehrspritz uffstelle - vorne beim Jungmanns Heunz - un hedde se gedaaft, wann se kumme weern." Doch mit der Anbringung des Schildes war die Affäre NEU-GRASSLITZ zunächst zu den Akten gelegt. << zu Inhalt In den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg bis in die 50er Jahre hinein
mußte der Text des Kerwespruches dem Bürgermeister zur Genehmigung
vorgelegt werden. Das bewirkte, daß die große Politik weitgehend
ausgeschlossen war. Chrustschow, Eisenhower, Mac Millan un de Gaulle 1987 werden die "Kerweborsch im Kaisersaal" in der Beurteilung der Volkszählung schon etwas ausführlicher: Wie ihr grad geheert hobt, in Hesse wurd gewählt Überhaupt fehlte es in so manchem Kerwspruch am nötigen Respekt vor der Administration. Das beweist auch der älteste uns in schriftlicher Form zur Verfügung stehende Kerwespruch von 1938, den der Kerwevadder dieses Jahres, Georg Schäfer, mit seinem damaligen Beireiter, Hans Pinkel, für dieses Buch rekonstruiert haben. Es findet sich darin eine respektlose Anspielung auf eine Amtsperson, an welcher Stelle, wird allerdings nicht verraten. << zu Inhalt Kerwespruch 1938 Wie die Wolken ziehn, so zieht die Zeit, Die Gret, die hippt im Hemd erum ** Bei unserm Kerwewert, der Familie Reinheimer, Meu Kehl es so trocken, Unser Kinsteerer Kerwemädcher Mit dem Omnibus fahrn In der Straße der SA **** In de Naumer Gass geht fast jeden Owend oaner In de Hinnergass, do wohnt so en Wetterprophet, E paar Heiser weirer leit en Mann krank im Bett, Des wars, was me heit wolle berichte, Uff em Bismarckplatz es aach viel los, Unser Kapell, de Friese Karl vun Bischem, Erklärungen: In einem Dorf, wie es Königstädten war und vielleicht an manchen Ecken auch noch ist, verbreiten sich sensationelle Nachrichten natürlich auch ohne daß sie im Kerwespruch Erwähnung finden. Der öffentlichen Darstellung der einen oder anderen Intimität aber ist mit Sicherheit die Beliebtheit des Kerwespruches zu verdanken. << zu Inhalt Der Kerwetanz begann früher sonntags nach dem Umzug um 16.00. Da samstags kein Tanz stattfand, war er die zentrale Kerweveranstaltung. Aus den 50er Jahren wird berichtet, daß der Saal immer brechend voll war. Einmal fanden die Kerweborsch nach ihrem Umzug keinen Sitzplatz im "Kaisersaal". Die handgeschriebene Kerwechronik berichtet aus dem Jahre 1953: Der Besuch der Gäste von auswärts war enorm. Als wir in den Saal einmarschierten, mußten wir uns einen Weg durch die Menschenmasse bahnen, die den Eingang versperrt hatte. Am Nachmittag kamen die Kerweburschen nicht zum Zug, einen großen Teil ihrer Plätze hatten die Gäste eingenommen. Bei solchem Andrang mußten die Kinsteerer ihre Vorkehrungen treffen, daß sie nicht vor der Tür stehen blieben. So wurden schon am frühen Nachmittag die kleinen Geschwister in die Säle geschickt, um Plätze freizuhalten. Für die fiel dabei eine extra Mark Kerwegeld ab und insbesondere die großen Schwestern waren sicher, daß sie ihr "Kerweklaad" nicht vergebens gekauft hatten. Denn so wie die jungen Männer sich mit der Gestaltung des Umzuges beschäftigten und den Kerwespruche dichteten, so kreisten die Gedanken der jungen Damen um das "Kerweklaad". Schick mußte es sein und neu mußte es sein, da gab es nix. Wenn es 'mal nicht für ein echtes Neues reichte, dann war es ein geschickt geändertes altes, aber niemals war es das vom vorigen Jahr. Der Kerwespruch vermerkt zur neuen Rocklänge von 1949: Wonn ich eich so betrochte, Vor dem Kriege und bis in die sechziger Jahre hinein wurde beim Kerwetanz kein Eintritt erhoben, stattdessen wurde "gezoppt". In den Tanzpausen ging ein Musiker der Kapelle über die Tanzfläche und kassierte bei den einzelnen Tänzern kleine Beträge oder er sammelte Kärtchen ein, die die Tänzer auf Vorrat gekauft hatten. In diesen Zwangspausen versuchten die Kerweborsch die Gäste mit ihren Liedern oder Schlachtrufen bei Stimmung zu halten. Auch die Kerweborsch mußten ihre Musik bezahlen. Aus den 30er Jahren wird berichtet, daß die Kerweborsch 8.- DM für ihre Tänze während der Kerb von vornherein an die Kapelle zahlen mußten. Da dies nicht gerade ein kleiner Betrag war, achteten sie darauf, daß sie dieses Geld auch ausnützten und tanzten fleißig. Gratistänze gab es für die Kerweborsch nur beim Zug durch die Wirtschaften der Gemeinde in einer Extratour. << zu Inhalt Wem is die Kerb? So wie die Kinsteerer Kerweborsch selbst in der Vorkerwezeit die Kerwen
der Umgebung heimsuchten, kamen auch die Auswärtigen zum Tanz in die Säle
unseres Dorfes, um den Hiesigen die Kerb "abzukaafe". Dann donnerte das "Wem is die Kerb? - UNSER!" durch den Saal und wenn es die Nauheimer waren, die da so provozierend auftraten antworteten die Einheimischen mit: "Was saufe die Naumer? - WASSER!" Die Jahrzehnte haben die eigenartigsten Schlachtrufe und Gesänge hervorgebracht. Aus den letzten Jahren stammt das folgende Werk, das wie viele dieser Rufe im Dialog zwischen Kerwevadder und Kerweborsch ausgeführt wird: Kerwevadder:
Kerweborsch: Wenn es bei solchen Versuchen auch meist beim mündlichen Schlagabtausch blieb, ab und zu setzten sich konkurrierende Gruppen auch handfest auseinander. Es ist keineswegs eine Unart heutiger Jugendlicher, die zum "Zoffmachen" und zum Spielverderben in die Säle ziehen, die Väter waren da auch nicht faul und mit dabei, wenn es ordentlich krachte, und die wiederum scheinen es von den Großvätern gelernt zu haben. Wenn die Stimmung im Saal die höchsten Wellen schlug und die Aufmerksamkeit der Kerweborsch ganz in Anspruch genommen war, dann passierte es oft, daß Lümmel aus den Nachbardörfern, Kerweborsch aus anderen Kinsteerer Wirtschaften oder auch Ex-Kerweborsch von hier sich einen Spaß daraus machten, eines der Kerwesymbole, die Fahne, die "Kerb" oder gar den Baum zu klauen. Zwischen den Kerweborsch beim "Reinheimer" und beim "Einsiedel" ging es traditionell darum, die vor der Wirtschaft aufgesteckte Kerwefahne zu erobern.Meist war dann ein höheres Lösegeld fällig, damit die Beute wieder herausgerückt wurde. Ein anders beliebtes Beutestück sind noch heute die Kappen der Kerweborsch, die besonders leicht den Besitzer wechseln, wenn dem Träger nach einem anstrengenden Kerwetag der Kopf auf die Tischplatte sinkt. Ein besonderer Streich gelang den Kinsteerer Kerweborsch in den frühen 60er Jahren, als eine Gruppe von ihnen, während die anderen im Saal der Nauheimer Jahnturnhalle den "Naumern" versuchten die Kerb abzukaafe, den freistehenden Kerwebaum ausgruben und umlegten. 1977 waren es wieder die vielgeplagten Nachbarn aus Nauheim, die Ziel eines Kinsteerer Anschlages wurden. Die handgeschriebene Kerwechronik berichtet den Vorfall so: Auf jeder Kerb im Umkreis waren wir vertreten, den dortigen Kerweburschen die Kerb abzukaufen. Die letzte vor unserer war die Nauheimer. Die haben ja schon ein paar Jahre keine Kerweborsch mehr. Ein paar von uns liefen in der Jahnturnhalle in der Tanzpause auf die Tanzfläche und sangen. Zu unserer Überraschung klatschten die Naumer. Währenddessen klauten einige von uns die zwei winzigen Kerwebäume und stellten sie auf der Verkehrsinsel zwischen Naum und Königstädten auf. Dazwischen ein großes Schild: "Die Naumer Meedscher sind eitel und stolz, die losse sich berschde fer e Bindelsche Holz." Vielleicht war es gerade die Tatsache, daß die Naumer keine Kerweborsch mehr hatten, die den Kinsteerern einen derartig dreisten Reim einfallen ließ, oder ist das "Bindelsche Holz", das so gar nicht mehr in diese zentralbeheizte Zeit passte, ein Erbe der Väter gewesen, von deren "Erbfeindschaft" mit den Naumern wir jetzt schon so oft gehört haben. In früheren Jahren, so viel steht fest, wäre ein solcher Vorgang nicht ohne spürbare Reaktion der Nachbarn geblieben. << zu Inhalt Während die Erwachsenen sich in den Sälen vergnügten zog es die Kinder auf den Bismarckplatz, wo seit Jahrzehnten der Kinsteerer Kerweplatz ist. Vorher hatten sie bei Opa und Oma, Onkel und Tante, Pedder und Goth, Mutter und Vater um Kerwegeld vorgesprochen. Ausgegeben wurde dieses auch schon vor fünfzig Jahren an den gleichen Buden und Fahrgeschäften wie heute. Auch wenn sich die Ausstattung der "Reitschul" vorsichtig der
technischen Entwicklung anpaßte, das Sortiment am Süßwarenstand diverse
Neuigkeiten enthält, am Spielwarenstand das Zeitalter der Weltraumfahrt
natürlich Versteckt zwischen dem Modernen lagert uraltes: die bunt umsponnenen Strohbällchen am Gummiband, mit denen man so gut seine Mitmenschen erschrecken kann, das "Bläsje", eine mit einer gefärbten Feder geschmückte ausrollende Papierschlange, die mit einer Blechzunge quäkende Töne erzeugt. Und auch die Vogelstimme ist gelegentlich noch zu haben, ein in einem kleinen Blechhalbkreis gefaßtes Zellophanhäutchen, mit dem man, auf die Zunge gelegt, mit einigem Geschick durchdringende Pfeiftöne erzeugen kann. Am Süßwarenstand gibt es den Waffelbruch, das Magenbrot und den türkischen Honig. Vor dem Zeitalter der Supermärkte konnte man hier vieles entdecken, was es im übrigen Jahr nirgends zu kaufen gab. Aber auch heute noch läßt die breite Auslage der Köstlichkeiten, die unverpackt ihren Wohlgeruch verbreiten, ein ganz anders Kaufgefühl aufkommen als in der plastikverschweißten Welt der Selbstbedienungsläden. Am Bratwurststand schmurgeln die Brat- und Rindswürste und Schaschlik, wird auf Verlangen die köstliche deutsche Currywurst zubereitet, liegen die "Fischweck" mit Lachs und Bismarckhering aus. Seit einigen Jahren gehören auch der Spießbraten und die Pommes frites zum Angebot, der Hamburger konnte sich indes erfreulicherweise bis heute nicht richtig durchsetzen. Schließlich die bunte Welt der Wurf-, Schieß- und
Losbudengewinne: Der enge Rahmen des Bismarckplatzes hat dafür gesorgt, daß der Kerweplatz seinen Charakter nur begrenzt der Entwicklung der Zeit anpassen konnte. Die großen, modernen Fahrgeschäfte können hier nicht aufgestellt werden, das laut dröhnende Erscheinungsbild der heutigen Rummelplätze verbietet sich zwischen den dicht um den Platz gruppierten Fachwerkhäusern von selbst. << zu Inhalt Der Kerwemontag wird seit alters her zu unterschiedlichen Umzügen genutzt. Winter berichtet von der umhergehenden Musikkapelle, die den Morgensegen spielte und dafür Geld einsammelte. In den Höfen soll dabei getanzt worden sein. Aus der Mitte der 30er Jahre wird berichtet, daß die "Kerweborsch vom Hannes" gegen 9.30 Uhr Reinheimers Braunen ins "Stuhlwägelche" (ein vierrädriger Holzwagen mit Lederriemenfederung) einspannten, um alle Kerweborsch aus den Betten zu werfen und zum Frühschoppen abzuholen. Heute treffen sich die Kerweborsch um 10.00 Uhr im Kaisersaal, wo an langen Bänken und Tischen, ähnlich wie in einem Festzelt die Kinsteerer gemeinsam mit Gästen aus der Umgebung den Frühschoppen feiern. Bis ca. 1960 fand der Frühschoppen noch ausschließlich in der Wirtschaft ("Krone") statt. Bei Musik und Tanz wird heute die Kerb im Saal fortgesetzt. Zu den gerngesehenen und regelmäßigen Gästen gehörte bis in die Mitte der 60er Jahre der verstorbene Pfarrer Ramge, der gelegentlich seinen Humor unter Beweis stellte und seine Kinsteerer mit pfiffigen Späßen unterhielt. Im den letzten zwei Jahrzehnten ist eine Einlage von Kurt Neumann zum festen Bestandteil des Kerwemontags geworden. Wenn "'s Kurtsche" sein "Einsames Glöcklein", "Das Odenwaldlied" oder gar das etwas zweideutige "Fraa, Fraa, Fraa" im Kaisersaal anstimmt, verstummen die Gäste während der Soli, um den Refrain unterstützt von den meist anwesenden Gesangsvereinsmitgliedern mehrstimmig mit voller Stimme mitzusingen. Die Kerweborsch allerdings bleiben an diesem Tag nur kurz im Kaisersaal. Dann treten sie mit Traktor und Rolle eine Rundreise durch die Königstädter Wirtschaften an, in denen ebenfalls ein Frühschoppen stattfindet. In den letzten Jahren besuchten sie regelmäßig die Altentagesstätte in der Rathausstraße, wo gelegentlich den Senioren der Kerwespruch von Sonntag nochmals zum Besten gegeben wurde. Auch den Fußballern der Alemannia gilt ein Besuch und für ein paar gut vorgetragene Lieder gibt es dort auch schon 'mal ein Freibier. Zuletzt geht es zu den Turnern. Dort bleiben die Kerweborsch bis zum Ende des Frühschoppens. Auch an diesem Tag wird von ehemaligen Kerweborsch versucht den Diesjährigen mit manchem Schabernack die Kerb ein bißchen schwer zu machen. Immer wenn sie unterwegs Traktor und Rolle abstellen, lassen sie darum zwei Kerweborsch als Wache zurück, denn in der Vergangenheit wurde ihnen mancher Streich am abgestellten Gefährt gespielt, während sie fröhlich in der Wirtschaft sangen. In weiser Vorraussicht wird auf jeden Fall "des Neusteckding" ("Hineinsteckding", gemeint ist der Splint zwischen Wagendeichsel und Kupplung) in Sicherheit gebracht, denn ohne dieses Neusteckding kann der beste Traktor die Rolle nicht ziehen. Allen Vorkehrungen zu Trotz gelang es vor nicht allzulanger Zeit einigen besonders dreisten Zeitgenossen, den Traktor zu entführen. Die erstaunten Kerweborsch fanden ihre Wache gefesselt bei der Rolle liegen. Zum Abschluß des Tages treffen sich die Kerweborsch beim "Ivo"
zum gemeinsamen Essen. (Ivo ist der jugoslawische Wirt des
"Königstädter Hofes".*) In früherer Zeit, so berichtet Winter, endete die Kerb am Dienstag mit dem Begraben der Kerb. Heute geschieht das erst nach Nachkerb. Die Woche zwischenden den Kerben ist trotzdem gut ausgefüllt. Dienstags wird die Rolle abgeschmückt. Da die Dekoration in der Regel aus Kreppapier besteht und nachdem an Kinsteerer Kerb der Regen praktisch schon dazugehört, gibt es auch genug zu putzen. Die vom Wasser aufgelöste Farbe hinterläßt häßliche Spuren. Der Lattenaufbau und das Schild "Kinsteerer Kerweborsch 19.." werden bis zu nächsten Jahr aufbewahrt. Nach der Arbeit geht's zur "Alemannia", denn dort lädt der Wirt alle Kerweborsch zu einem Essen ein. Mittwochs steht die letzte Kerweborschsitzung des Jahres auf dem Programm. Diese findet meist bei dem diesjährigen Kerwevadder statt. Dort entscheidet sich, nachdem die Planung der Nachkerb abgeschlossen ist, wer Humpenkönig wird. Der Humpenkönig wird seit Ende der 70er Jahre gekürt. Über alle Kerweborschsitzungen hinweg wird eine Strichliste geführt, wieviele Humpen (1 Liter) jeder Kerweborsch geleert hat. Das Humpentrinken wird nach den bekannten Regeln des Stiefeltrinkens durchgeführt. Das bedeutet, daß das Glas um den Tisch herum weitergegeben wird. Dabei müssen alle darauf achten, daß der folgende Trinker den Humpen nicht leert, denn der Vorletzte zahlt den nächsten. Dies ist nun die letzte Gelegenheit, einen evnetuellen Rückstand noch aufzuholen. Der Humpenkönig erhält einen Wanderpokal mit Namensgravur, der mit purem Weinbrand gefüllt ist. Der Pokal muß "auf Ex" geleert werden. Donnerstag ist dann zum ersten Mal seit einer Woche frei. Es finden sich aber meist doch ein paar unverwüstliche Kerweborsch zu einem Kinobesuch zusammen. Freitags treffen sich alle in der Krone zu einem sogenannten Stammtisch. Am Nachkerwesamstag sammeln die Kerweborsch im Dorf für die Tombola am Sonntag. Neben den gesammelten Preisen werden immer auch einige gekauft, denn das Playboy-Magazin beispielsweise ist ein langjährig enthaltener Preis, wird aber sehr selten gespendet. Nach dem Aufbau der Tombola treffen sich die Kerweborsch zum gemeinsamen Kaffeetrinken. << zu Inhalt Um 20.00 beginnt heutzutage die letzte Tanzveranstaltung der Kerb. Früher gab es statt samstags am Sonntag um 16.00 Uhr den letzten Kerwetanz. Mit Tanz, Gesang und kleinen Einlagen klingt die Kerb im Saale aus. Aber noch einmal wird es spannend, wenn zu Tombola die Lose verkauft werden. Begonnen hatte es einmal mit der Verlosung des Kerwebaumes (erstmals erwähnt 1962), heute enthält die Tombola darüberhinaus von Königstädter Geschäftsleuten gespendete Preise und, wie könnte es in Kinsteere anders sein, die eine oder andere Überraschung und Kostproben echt Kinsteerer Humors. Beispielhaft sei hier ein Geschehnis wiedergegeben, das unter dem Titel "Gilligans Läden" in die Kerwegeschichte eingegangen ist: << zu Inhalt Gilligans Läden Der ehemalige Kerwevadder Reinhard Hill, der bei den Kerweborsch als
Gilligan bekannt ist, macht sich öfters einen Sport daraus, die Kerweborsch
zu ärgern. Doch 1987 bekam er die Quittung: Als er sich am Nachkerwesamstag
im Saal vergnügte, machten sich heimlich fünf Kerweborsch auf den Weg in
die Obergasse. Zurück kamen sie mit den Fensterläden des besagten Reinhard
Hill. Sie wurden als Preis für die Tombola ausgezeichnet, aber noch
versteckt gehalten. So wie in dieser kleinen Affäre, wird der Tombola alljährlich mit kleinen Manipulationen ein spezieller Reiz verliehen. Auch bei der Verlosung des Kerwebaumes war nicht immer nur der Zufall im Spiel. Diesen gewinnt in der Regel ein früherer Kerwevadder, ein besonderer Gönner der Kerb, oder zumindest einer, von dem man annimmt, daß er sich dieses besondere Glück eine Kleinigkeit kosten läßt: Eins haben die Kerweborsch nämlich immer, entweder Hunger oder Durst oder Ebbe in der Kerwekasse. << zu Inhalt Schubkarrenrennen wie in alter Zeit 1973 fand nach 40jähriger Pause erstmals wieder ein Schubkarrenrennen in Königstädten statt. Wie Winter berichtet, war dieses seit Menschengedenken Bestandteil der Kinsteerer Kerwetradition, wenn auch früher gelegentlich am Kerwemontag geübt. Schon eine Stunde vor Beginn versammelten sich am Bismarckplatz sehr viele Zuschauer, darunter auch die Veteranen aus den 20er und 30er Jahren. Start und Ziel wurde bestimmt, 6 Karren auf ihre Eignung geprüft und mit einem großen Sack Kartoffeln beladen, die Startpistole geladen. Die Rennstrecke wurde für den Durchgangsverkehr gesperrt, durch Probeläufe pendelten sich die Wettkämpfer auf ihr Höchstform ein. Viele alte Kinsteerer waren dabei und dachten an die Zeit, wo "in de Naumer Stroß" zur Kerb die Rennen gefahren wurden, "fun de Füllwaad bis zum Schmiddekall". Heute haben sich zum Schubkarrenrennen noch einige weitere Disziplinen hinzugesellt und die Veranstaltung wurde zum "Kinsteerer Sportabzeichen" ausgeweitet. Die neuen Wettbewerbe sind u.a.: das Kinsteerer Quiz, ein Hindernislauf mit einem vollen Serviertablett und ein Lewwerworschtwettessen. Den Gewinnern winken flüssige Preise und echte Medallien. Nachdem es am Nachkerwesonntag keinen Tanz mehr gibt, enden
öffentlichen Am Samstag nach Nachkerb wird der Kerwebaum umgelegt. Nach der Herrichtung des Bismarckplatzes 1986 ist das nicht mehr so einfach. Es muß Rücksicht auf das Pflaster und die Laternen genommen werden. Man vertraut diese Arbeit darum heute einem Fachmann an, während die kleinen im Dorf aufgestellten Bäume von den Kerweborsch eingesammelt werden. Ist diese Arbeit getan, schreiten die Kerweborsch feierlich zur letzten Amtshandlung der Kerb. Wie schon vorstehend erwähnt wurde ganz früher die Kerb schon am Kerwedienstag beerdigt. Damals fuhr man alle bei der Kerb angefallenen Scherben mit einem Schubkarren in den Wald hinaus und vergrub sie in einem Erdloch. Die Kerweborsch der Kinolore beerdigten die Kerb 1948 und 1949 in Form einer echten Flasche Wein, wohingegen aus Vorkriegszeiten von den Kerweborsch beim Reinheimer berichtet wird, daß sie die Weinflasche mit Wasser füllten, bevor sie beerdigt wurde. Heute wird die Kerb nach dem Umlegen des Baumes begraben. Dazu treffen
sie sich abends in alten schwarzen Anzügen mit übergroßen Taschentüchern
und mit einem Spaten. Der Kerwevadder hat eine leere Weinflasche und eine
selbstgeschriebene Botschaft dabei. Anschließend ziehen sie mit lauten
Geheul durch die Strassen. Der Weg führt schließlich in ein
Waldstück. Es gab Jahrgänge, die diese Zeremonie der Beerdigung der Kerb so erst nahmen, und so sehr wie eine wirkliche Beerdigung ausstattete; der als Pfarrer verkleidete Kerweborsch trug Talar und Bäffchen und gab sich alle Mühe, den wirklichen Pfarren zu kopieren, daß die hießige Geistlichkeit Anstoß dran nahm. Vorbei ist nun die Kerwezeit Diese Worte wurden bei der Beerdigung der Kerb 1959 der nächstjährigen Kerb mit auf den Weg gegeben. << zu Inhalt |
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