Königstädten von
der Eiszeit bis heute

Kurze Einblicke in die Geschichte des Dorfes Königstädten (Felix Weilbächer 2002)

Neuerscheinung 1. Dez. 2004: Weilbächer-Walther Einsiedel: Königstädten von der Eiszeit bis zur Neuzeit

Ev. Kirche 1903
Bis zur Eingemeindung nach Rüsselsheim 1956 war Königstädten ein selbstständiges Dorf. Seinen historischen Kern kann man noch heute sehr gut anhand der Straßenführung erkennen: Obergasse, Hintergasse und Froschgasse bilden mit der angrenzenden Rathausstraße von der Richtergasse bis zur Kirche die ursprüngliche hufeisenförmige Siedlung, die bis zum Ende des 16. Jahrhunderts von einem Dorfgraben umschlossen war.

Bis 1989 waren die ältesten archäologischen Funde auf Königstädter Gebiet Werkzeuge aus der Jungsteinzeit (ca. 3000 - 1800 v. Chr.), Schmuck, Fibeln und eine große Urne mit Beigaben aus der Zeit nach 1200 v. Chr. , eine tonnenförmige Urne aus der jüngeren Eisenzeit, sowie Gefäß- und Münzfunde aus römischer Zeit.

Dass aber schon vor 13 000 Jahren Menschen auf dem Gelände des heutigen Königstädtens siedelten, stellte eine große Überraschung dar. Beim Bau der Autobahnauffahrt Königstädten 1989 wurde ein Siedlungsplatz eiszeitlicher Jäger gefunden. Die Funde waren der deutliche Grundriss eines Zelt-Hauses und eine Vielzahl von Steinabschlägen (Steinklingen, Pfeilspitzen und Schaber).

Königstädten ist bereits in den ältesten bekannten Schriftzeugnissen aus unserer Gegend erwähnt. So ist es auch in dem wegen seiner umstrittenen Entstehungszeit oft diskutierten "Lorscher Reichsurbar", das vermutlich aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts stammt, genannt.

Die besondere Lage des alten Dorfes auf einer weitgehend hochwasserfreien Erhöhung am alten Mainarm (heute "Wehrlache") und der auffällige Verlauf der Gemeindegrenzen im Westen der Gemarkung, wo ehemals 5 (bzw. 6) Gemeinden auf dem "Haselberg" zusammentrafen und man eine frühmittelalterliche Gerichtsstätte (siehe E. E. Metzner) annimmt, legt nahe, dass es das Dorf schon sehr viel früher gab.

Der Name, der früher Stethi, Steden, schließlich Konigsteden lautete, dessen Wortstamm auf eine geschlossene Siedlung hindeutet, lässt eine Dorf-Gründung in alemannischer Zeit vermuten (also vor 496 n. Chr.). Wegen der auch großräumig gesehen exponierten Lage, der Tatsache, dass es im alten Ortskern einen Flurnamen "Borg" (=Burg) gab und der frühen Namensform Steden kann man annehmen, dass Königstädten so etwas wie ein frühmittelalterliches Verwaltungszentrum (siehe E. E. Metzner) war.

Nach den nächsten uns bekannten Urkunden gehörte Königstädten zunächst zum königlichen Bannforst Dreieich. Die Reichsvogtei (Verwaltung) dieses Gebietes hatten bis 1255 die Herren von Hagen und Münzenberg inne. Weil diese ohne männlichen Nachfolger blieben, ging die Herrschaft an die Herren von Falkenstein. Als deren letzter Nachkomme, Werner III. , 1418 starb, ging Königstädten an das Haus Isenburg, ab 1518 an das Haus Isenburg-Birstein über.

Aus dieser Isenburger Zeit stammt auch die erste Nennung der in Kinsteere (so nennen die Einheimischen ihr Königstädten) so beliebten Kerb: Der Rechner des Junkers von Ysenburg verzeichnet im Jahre 1440 eine Einnahme von 6 Gulden aus einem Stück Wein auf der Kerb in Steden (Königstädten).

Im Mittelalter erklärte sich die Bedeutung Königstädtens vor allem aus seinem Waldreichtum. Die königliche Jagd und die Holzwirtschaft bestimmten das Dorfleben. Noch heute ist der Königstädter Domanialwald Bannwald (jetzt im Landesbesitz).

Auch in der Neuzeit wurde im Königstädter Wald noch gerne gejagt. Das Jagdschloss Mönchbruch (erbaut 1730-32) und die großzügigen Alleen um dieses herum zeugen von der Jagdfreude der Hessischen Landgrafen. Seit 1682 gehörte Königstädten zu Hessen-Darmstadt.

Im Dreißigjährigen Krieg blieb Königstädten lange von Plünderung und Zerstörung verschont. Als aber das schwedische Heer in Mainz dauerhaft Quartier nahm, wurde ab 1634 auch Königstädten Opfer von Plünderungen und Pest. Es ist überliefert, dass nur vier Häuser und neun Königstädter Einwohner die Kriegswirren überstanden.

Die Königstädter Kirche wird bereits 880 urkundlich erwähnt. Im Jahre 1654 weist das älteste Kirchenbuch aus, dass die Kirche ordentlich mit protestantischem Pfarrer, Schullehrer und Glöckner besetzt war. Königstädten war seit 1642 protestantisch, erlebte aber wegen des häufigen Herrschaftswechsels einen siebenmaligen Wechsel zwischen lutherischem und reformiertem Bekenntnis.

Ein seltenes Bild zeigt den Innenraum der 1944 im Bombenhagel untergegangenen Kirche. Die jetzige Kirche wurde erst 1955 wieder aufgebaut (Bild rechts).
Das Bild links zeigt die Kirche nach dem Umbau im Jahre 1903. Damals erhielt die vorher schlichte Kirche einen neuen Eingang, ein Seitenschiff und einen außenliegenden Treppenturm zur Empore.
 
 
Eine Schule gab es in Königstädten seit ca. 1570. Alte Schulhäuser kann man heute noch in der Rathausstraße 4 (von 1789, links im Bild) und in der jetzigen Begegnungsstätte "Altes Rathaus", Rathausstraße 13 (von 1843), sehen.
Beide Häuser dienten später als Rathäuser. Auf dem Gelände der jetzigen Grundschule wurde 1912 ein neues Schulgebäude errichtet.
Dieses wurde am 24. März 1945 bei einem Tieffliegerangriff in Brand geschossen. Schule und Gemeindearchiv gingen in den Flammen unter. Erst ab 1950 entstand am gleichen Platz der ältere Teil des heutigen Grundschulgebäudes.

Als schwarzer Tag in der Königstädter Geschichte gilt der 12./13. August 1944, als das Dorf in einem nächtlichen Angriff einer englischen Bomberflotte beinahe unterging. Beginnend mit dem Setzen der Zielmarkierungen um 0.05 Uhr dauerte es weniger als eine halbe Stunde, bis fast der ganze Dorfkern zu einem Inferno wurde. 22 Einwohner und Gäste kamen in den Flammen ums Leben. Auch 72 Pferde, 245 Rinder, 330 Schweine, 101 Ziegen und 2001 Stück Geflügel kamen im Feuer um. Insgesamt wurden in dieser Bombennacht nach amtlichen Angaben 86% der Gebäude in Königstädten zerstört.

Es wird vermutet, dass der Angriff eigentlich OPEL galt. Mehr als 70 000 Brandbomben und ca. 500 t Sprengbomben fielen in dieser Nacht auf Königstädten.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde der alte Ortskern wieder aufgebaut. Dabei wurden häufig die alten Häusergrundrisse wiederhergestellt. Darum kann man auch heute noch, trotz der gewaltigen Zerstörungen, ein gutes Bild des historischen Dorfkerns, der von seinen fränkischen Fachwerkhäusern geprägt war, gewinnen. Wie viele andere Gemeinden auch nahm Königstädten in den folgenden Jahren zahlreiche Flüchtlinge und Vertriebene auf. Es wuchs in den Wirtschaftswunderjahren um mehrere Wohngebiete und steigerte seine Einwohnerzahl von 1931 (1400) auf fast das Sechseinhalbfache im Jahre 2001(9023 Einwohner).

Die Einwohnerzahlen von 1618 bis 2001

Jahr Einw. Jahr Einw.
 
1618 ca. 350 1890 900
1731 266 1902 1100
1750 304 1910 1125
1780 365 1925 1268
1791 400 1931 1400
1804 420 1949 2000
1829 565 1956 2555
1860 726 1993 9057
1865 760 2001 9023

 

Veränderung der Bebauung in 100 Jahren

Aus einem kleinen Dorf wird ein Stadtteil mit 9000 Einwohnern, der alte Dorfkern aber ist immer noch gut zu erkennen.

 

Hier erfahren Sie mehr aus der Königstädter Geschichte.

Felix Weilbächer: Kurze Einblicke in die Geschichte des Dorfes Königstädten

E. E. Metzner: Das alemannische Königstädten

Einsiedel, Walter, Weilbächer: Die Bombennacht 1944

E. E. Metzner: Gerichtsstätte Haselberg

Weilbächer: Wie in Königstädten Kerb gefeiert wurde ... und wird.

J. Hubbert und Stefan Loew: Die beiden endpaläolitischen Lagerplätze 122A und 122B

Walter, Weilbächer: Fachwerkhäuser

Neuerscheinung: Weilbächer, Walther, Einsiedel: Von der Eiszeit bis zur Neuzeit

Der Text des Eingemeindungsvertrages

4 Bücher zur Königstädter Geschichte von
Weilbächer - Walter - Einsiedel
 
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