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Über
den "Haselberg" als den alten Mittelpunkt der im Jahre 1211
zuerst begegnenden „Provinz" oder "Grafschaft" am
Untermain, die „Haselbergen" genannt wurde, ist in vorausgegangenen
Beiträgen ausführlicher gesprochen worden; die langhin unbekannte und
falsch lokalisierte Stelle des wahrscheinlich bis ins 4. Jh. n. Chr. zurückreichenden
Gerichtsplatzes "Haselberg" wurde dabei mit der
"gemeinsamen Mitte" zwischen den Gemarkungen von Seilfurt-Rüsselsheim,
Königstädten, Hof Schönau, Bauschheim und Bischofsheim am "Schönauer
Kirchweg" identifiziert.
Es
bleibt noch, einiges zur Art des Gerichts, zum Umfang des Gerichtsbezirks
um die Gerichtsstätte und zu seinem "Hauptort" in der Zeit um
1200 zu sagen, als noch auf dem "Haselberg" Gericht gehalten
wurde. In der bereits erwähnten Urkunde von 1211 sind - in interessanter
Reihung - folgende Gemeinden aus dem Umland des "Haselbergs"
bzw. des vor Zeugen veräußerten „Mönchbruchs“ erwähnt, und zwar
als Herkunftsorte von Zeugen: Frankfurt (5 Zeugen), Rüsselsheim (2),
Seilfurt (2), Bischofsheim (2), Trebur (3), Nauheim (2), Königstädten
(1), Mörfelden (1) und Raunheim (1). Durch Wildbann
bezeugt
Von einem "Hauptort" ist nicht ausdrücklich die Rede, auch nicht davon, dass alle zum Gericht gehörigen Gemeinden Zeugen stellten. Immerhin: Man wird sich den Gerichtsbezirk mit der Forschung kaum viel umfänglicher vorstellen dürfen und im Norden den Untermain (und eventuell noch die untere Nidda), im Westen den Rhein als Grenzen annehmen - Grenzen, die auch als die des Wildbanns Dreieich spätestens im 14. Jh. bezeugt sind: Der hochmittelalterliche Bezirk des Gerichts auf dem Haselberg" dürfte den ganzen Nordwesten des Wildbanngebiets ausgefüllt haben. Und
weiter: Auch wenn Frankfurt unter den genannten Herkunftsorten vor Mörfelden
am weitesten vom "Haselberg" abgelegen war, man müsste wegen
der hervorgehobenen Erstnennung, der besonders großen Zahl von Zeugen aus
Frankfurt und der damals sicher bereits gegebenen größten Wichtigkeit
der städtischen Siedlung eben diesem Frankfurt im Gerichtsbezirk von 1211
eine besondere Rolle, die des "Hauptorts" eben, zuschreiben; man
hätte dann jedoch die Zugehörigkeit des seltsam an den Rand des Bezirks
gerückt erscheinenden Frankfurt zum "Haselberg" eigens zu erklären,
was denn auch im Folgenden geschehen soll. Bisher
hat man allerdings Frankfurts Teilnahme im Jahre 1211 anscheinend immer für
mehr oder weniger zufällig gehalten (vgl. etwa M. Schalles-Fischer, Pfalz
und Fiskus Frankfurt, 1969, 356 f.), vor allem, weil man aufgrund der sich
andeutenden Grenzen des Gerichtsbezirks zu wissen glaubte, um was für
eine Art Gericht es sich bei dem „generale placitum", dem
„Allgemeinen Gericht", auf dem Haselberg bei Rüsselsheim gehandelt
hat: Um das dem Königsgutbezirk "Trebur", dem sog. „Fiskus
Trebur", zugeordnete Gericht nämlich; ihm hätte einmal, meinte man,
ein entsprechendes Gericht für den unmittelbar benachbarten Königsgutbezirk
"Frankfurt" mit Sitz in Frankfurt oder - eher - nahe Frankfurt
im Freien auf dem "Bornheimer Berg" entsprochen (s. Schalles-Fischer
a. a. 0. S. 355). Bei einer solchen Annahme ist es natürlich schlecht
vorstellbar, dass der "Hauptort" des einen "Königsgutbezirks",
Frankfurt, zum Gericht' eines anderen benachbarten "Königsgutbezirks",
Trebur, gehört haben könnte. Was aber nun, wenn es sich bei dem
"generale placitum" gar nicht um ein Gericht bloß für einen Königsgutbezirk,
gar nicht um ein Gericht nur für Königsleute, gehandelt hätte? Misstrauen ist
angebracht
Man
muss in der Tat gegenüber der bisherigen Annahme sehr misstrauisch sein:
Denn einmal wird Frankfurt 1211 doch wie selbstverständlich mit Trebur
zusammen und sogar vor Trebur genannt, und zum andern umfasste der
angeblich aus dem Königsgutbezirk Frankfurt erwachsene Bezirk des
Gerichts auf dem "Bornheimer Berg" bei Frankfurt-Bornheim, als
er in den Quellen begegnet, auffälligerweise keineswegs das
mittelalterliche Frankfurt selbst und wohlgemerkt gerade auch nicht
diejenigen Dörfer und Siedlungen, die zwischen Frankfurt und dem
"Haselberg" südlich des Mains gelegen waren, also
n i c h t Sachsenhausen,
Niederrad, Schwanheim, Kelsterbach usw.; die abgelegeneren süd-mainischen
Orte Oberrad und Offenbach dagegen gehörten zum Bornheimer Berg".
Man muss also doch an einen Gerichtsbezirk um den "Haselberg"
denken, in den auch das älteste Frankfurt samt Sachsenhausen, Niederrad,
Schwanheim usw. eingeschlossen gewesen sind und der dem Frankfurt
gewissermaßen von drei Seiten umklammernde Gerichtsbezirk „Bornheimer
Berg" unmittelbar benachbart, ja bemerkenswert eng verbunden war. Misstrauisch
gegenüber der bisherigen Auffassung macht auch die Bezeichnung
"generale placitum", „Allgemeines Gericht", für das
Grafschaftsgericht auf dem „Haselberg". - Sie führt, wie der
Vergleich mit dem etwa gleichbedeutenden isländischen „Althing",
den ich vorgenommen habe, eher auf die Annahme, dass
a l l e Gemeinden eines geschlossenen Bezirks dort vertreten waren
oder sein sollten, nicht nur die Orte in oder mit Königsbesitz, die 1211
zum Mittelpunkt der Königsgutverwaltung Trebur gehörten. Der Vermutung
entspricht voll und ganz, dass der Gerichtsbezirk, die "Königsgrafschaft
zum Bornheimer Berg" (des "kuneges grashaft zuo Burneheimer
berge"), so 1303 zuerst genannt, tatsächlich ein geschlossenes
"Land"-Gebiet westlich, nördlich, östlich und südöstlich
Frankfurt umfasste, bestehend aus den zu einem "Land"
zusammengeschlossenen Dörfern Bergen, Berkersheim, Bischofsheim,
Bockenheim, Bornheim, Eckenheim, Enkheim, Eschersheim, Fechenheim,
Ginnheim, Griesheim, Gronau, Hausen, Massenheim, Nied, Oberrad, Offenbach,
Preungesheim, Seckbach und Vilbel [1]. Wenn der
"Haselberg"-Bezirk, die "Grafschaft" um den
"Haselberg" tatsächlich, wie es scheint, ein prinzipiell
vergleichbares Gebilde darstellte und sich als "Land" begriff, wäre
eine ähnliche Geschlossenheit zu vermuten, eine, die unabhängig von
eventuell verschiedenartigem Grundbesitz war. Das
Lorscher Reichsurbar
Und
es entspricht der neuen Annahme, dass 1211 mit den Zeugen aus
Bischofsheim, Seilfurt und Raunheim auf dem Haselberg" auch Vertreter
aus Orten erscheinen, die nach allem, was wir jetzt wissen, auch 1211 noch
nicht mit Sicherheit oder 1211 längst nicht mehr in Königsbesitz waren.
Im sog. "Lorscher Reichsurbar", das eine nach dem Kloster Lorsch
gelangte Liste des Königsguts in unserem Raum aus der Zeit, wie ich
meine, der Jahre 764/5 darstellt und die Erstnennung Rüsselsheims, Königstädtens
und Bauschheims enthält, sind jedenfalls Bischofsheim, Seilfurt und
Raunheim n i c h t
als Orte in oder mit Königsbesitz bezeugt, und entsprechend deutet
schon der "-heim"-Name “Bischofsheim” auf einen anderen
Besitzer als den König spätestens im 8. Jh., und ebenso wahrscheinlich
der zunächst schwer verstehbare "-heim"-Name “Raunheim”,
der, wie ich gezeigt habe [2],
wohl auf eine bald wieder eingegangene klösterliche Niederlassung schon
des 8. Jhs. verweist, die in Zusammenhang mit dem Mönchskloster Hornbach
in der Pfalz gesehen werden muss; dieses erscheint denn auch noch im 13,
Jh. als der eigentliche Besitzer von Raunheim und des benachbarten, eben
nach den Mönchen von Hornbach benannten Mönchhofs, dessen Name
allerdings erst viel später erscheint. Die voreilige Vermutung, dass das
"generale placitum" auf dem "Haselberg" nur für den Königsgutbezirk
Trebur des Hochmittelalters und für die damaligen Königsleute zuständig
gewesen sei und das erst im Spätmittelalter aufscheinende Gericht auf dem
"Bornheimer Berg" einst für den ganzen Fiskus Frankfurt, beruft
sich nun allerdings auf das eben genannte Lorscher Reichsurbar der, wie
ich meine, frühen Karolingerzeit: Dort entspricht der vor der Forschung
so genannte Abschnitt "Westliche Dreieich", der durch Trebur,
den vermutlichen Fiskusvorort, eingeleitet wird, aber u. a. auch die Orte
Kelsterbach, Griesheim, Frankfurt und Vilbel benennt, in der Tat auffällig
dem sich andeutenden Umfang des "Haselberg"-Bezirks des 13. Jhs.,
wenn man den etwas später bezeugten Raum der "Grafschaft" um
den „Bornheimer Berg" hinzunimmt - ein Blick auf die Karte lässt
die Übereinstimmung erkennen.
Man
könnte so zunächst beispielsweise sehr wohl zu der Folgerung gelangen,
dass beide späteren Gerichtsbezirke mit dem Namen "Grafschaft"
letztlich durch Teilung eines ursprünglich größeren einzigen Königsgutbezirks
entstanden sind, und man dürfte sich damit beruhigen, wenn eben deutlich
wäre, dass der Begriff "Grafschaft" nur ein anderes Wort für
den Begriff "Fiskus" im Sinne von „Königsgutbezirk" oder
"Königsgutbezirksgericht" war und die hoch- und spätmittelalterlichen
"Grafschaften" um "Haselberg" und "Bornheimer
Berg" mit den Königsgutbezirken "Trebur" und Frankfurt
identisch und die Gerichte (also) nur für Königsleute zuständig gewesen
wären. Dem
ist nun allerdings keineswegs so, wie ich gezeigt habe, und deshalb hat
man zu vermuten, dass die auffällig übereinstimmenden Grenzen von
Grafschaften und Fiskalbezirken auf andere einfache Art zu erklären sind:
Man hat anzunehmen, dass ursprünglich, etwa zur Zeit des Lorscher
Reichsurbars, Grafschaftsgrenzen und Fiskusgrenzen übereingestimmt haben
in dem Sinne, dass innerhalb einer "Grafschaft" jeweils nur eine
Königsgutverwaltung, ein Königsgutbezirk, sich befunden hätte. Übereinstimmung
der Grenzen deutet jedenfalls nicht notwendig auf Identität der innerhalb
dieser Grenzen tätigen Organe, der Fiskalverwaltung also z.B. und des
Gerichts. Trostpreis für
"Haselberg"
Die hochmittelalterliche Situation lässt
mich allerdings auf eine vom Königtum ausgehende Veränderung der erschlossenen
einfacheren früheren Verhältnisse wohl unter Karl dem Großen (768-814)
schließen, unter dem oder noch unter dessen Vater Pippin es m. E. zur
Errichtung eines eigenen Fiskalbezirks Frankfurt kam: Im Lorscher
Reichsurbar von 764/5 (s. o.) hat dieser gesonderte Bezirk anscheinend
noch nicht bestanden, der für die Zeit Karls mit Sicherheit bezeugt wird.
Nahe liegend wäre es nun gewesen, wenn der vom Königtum vorgenommenen
Teilung der Königsgutverwaltung in einen verkleinerten Bezirk „Trebur''
und einen neuen Bezirk "Frankfurt" eine entsprechende Teilung
der ursprünglichen "Grafschaft" um den "Haselberg"
gefolgt wäre, aber offenbar hat es starke, vom Königtum nicht ganz
auszuräumende Widerstände gegen eine solche Verkleinerung auch der ursprünglichen
„Grafschaft“ gegeben, so dass schließlich die Grafschaft
"Haselberg" bzw. deren einflussreiche Inhaberfamilie als eine
Art Trostpreis die einträgliche Jurisdiktion auch noch über den neuen,
aufblühenden Fiskusmittelpunkt Frankfurt und über die königlichen Güter
zwischen der Gerichtsstätte "Haselberg" und diesem Frankfurt
behielt; diese wurden nun aber größtenteils von Frankfurt aus verwaltet. Nur die vom "Haselberg"
noch weiter abgelegenen Gemeinden des alten Gerichtsbezirks, die vorher
unter der verhältnismäßig weiten Entfernung zum Gerichtsort
"Haselberg" am meisten gelitten hatten, bekamen ein näheres
„generale placitum" in ihrer Mitte auf dem "Bornheimer Berg“
und wurden zu einer besonderen "Grafschaft" - zu einer, in der
(wie in Frankfurt, das ja eigentlich dazugehörte) der fränkisch-deutsche
König und Kaiser seine von Anfang an durch die Besitzverhältnisse
gegebene dominierende Stellung allerdings länger zu halten bestrebt und
in der Lage war als im engeren Raum um den Haselberg. Irren wir nicht, so
ist in der behandelten auffälligen Grenzziehung etwas vom
geschichtlichen Widerstreit zwischen erstarkendem karolingischen Königtum
(und dem "Volk") auf der einen Seite, dem sich herausbildenden
"Adel" auf an deren
Seite zu erkennen. Anmerkungen
[1]
vgl. F. Schwinn, die ‘Crafschaft’ Bornheimer Berg und
die Königsleute der ...?... Frankfurt, in: Hess. Jb. zur
Landesgeschichte, 14, 1964, S. 1 ff. [zurück
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